«Das Covid-19-Gesetz greift unheimlich tief in die Grundrechte der Menschen ein»

Interview mit Nationalrat Lukas Reimann

Nationalrat Lukas Reimann, SVP (Bild thk)
Nationalrat Lukas Reimann, SVP (Bild thk)

Zeitgeschehen im Fokus Wo sehen Sie auch als Jurist das zentrale Problem beim Covid-19-Gesetz?

Nationalrat Lukas Reimann Das Hauptproblem sehe ich darin, dass es dem Bundesrat einen totalen Freipass gibt, das zu machen, was er will. Das kann er auch mit dem Notrecht, aber das ist beschränkt auf sechs Monate.

Das würde sich mit der Annahme des Gesetzes ändern?

Ja, Artikel 1(a) gibt dem Bundesrat die uneingeschränkte Möglichkeit mit ordentlichem Recht – also nicht mehr mit Notrecht, das ja befristet ist – zu machen, was er will und wie lange er die Massnahmen aufrechterhalten will. Mein Eindruck ist, dass man den Menschen vor der Abstimmung eine falsche Hoffnung macht.

Inwiefern?

Sie argumentieren, dass im März alles vorbei sei, wenn sich alle impfen lassen und sich an die Vorgaben des Bundes halten. Ich glaube aber, wenn die Abstimmung vorbei ist, werden sie je nach Ergebnis die Schraube anziehen und den Weg anstreben, den jetzt Deutschland und Österreich beschreiten. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man «Ja» stimmt in der Hoffnung, alles sei dann schneller vorbei. Es wird deswegen nicht schneller vorbei sein. 

Was hat Österreich für Massnahmen ergriffen?

In Österreich gilt für Ungeimpfte und vor 180 Tagen Genesene seit dem 15. November Lockdown sowie die 2 G-Regel im Restaurant. Bei grösseren Veranstaltungen verlangen sie zusätzlich einen PCR-Test. 

Das wären doch weitere Verletzungen unserer Verfassung?

Ja, auf alle Fälle. Massgebliche Artikel der Bundesverfassung werden bereits mit dem Covid-19-Gesetz verletzt, das haben in der letzten Zeit verschiedene Rechtprofessoren bestätigt, die sich sonst nicht immer einig sind. Das Zertifikat bzw. die daraus abgeleiteten Rechte sind meines Erachtens auch verfassungswidrig. Aber ich bin ein Verfechter der direkten Demokratie und hoffe, dass die Artikel, die unglaublich tief in die Grundrechte der Menschen eingreifen – wie das Versammlungsverbot und die digitale Überwachung durch das Zertifikat – vom Volk abgelehnt werden. Dem darf man nicht zustimmen. 

Der Bundesrat greift sehr weit in die Rechte der einzelnen Bürger ein …

Wir haben einen ganz klaren Grundsatz in der Verfassung, der besagt, dass jeder einschneidende Eingriff in die Grundrechte der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers verhältnismässig sein muss, keine milderen Massnahmen zum gleichen Ziel führen und die Grundrechts-Eingriffe in einem überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Man muss das also sehr gut begründen können, warum ein so massiver Einschnitt verhältnismässig sein soll. Und mit den heutigen Erkenntnissen sind diese Gründe schlicht nicht mehr gegeben. Auch wenn das Gesetz eigentlich verfassungswidrig ist, gäbe es nach Annahme des Gesetzes durch eine Volksabstimmung eine Legitimation für den Bundesrat und einer Parlamentsmehrheit, um diesen Weg weiter zu beschreiten. Dann hat es überhaupt keinen Platz mehr, um in andere Richtungen zu denken.

Die Verhältnismässigkeit hat von Anfang an gefehlt. Das Virus war noch kaum in der Schweiz angekommen, dann hat man schon die Impfung als einzigen Ausweg propagiert. Damals haben Experten gewarnt, man solle sich nicht auf die Impfung verlassen, denn das werde Jahre brauchen, bis man einen brauchbaren Impfstoff entwickelt hat. Wie hat man darüber in Bern debattiert?

Die Parlamentsdebatte war sehr einseitig. Ich durfte nicht einmal reden, weil ich nicht Mitglied der zuständigen Kommission bin. Meine Parteikollegin, Yvette Estermann, ist schon vor Jahren aus der Gesundheitskommission ausgetreten. Sie sprach vom Lobbyistenfilz, denn sie war eine der wenigen, die keine Pharmariesen, keine Krankenkasse und auch kein Spital gegen Bezahlung vertrat, sondern sich als Vertreterin der Bürgerinnen und Bürger verstand. 

Damit sind die Entscheide der Gesundheitskommission nicht unabhängig…

Ja, das merkt man natürlich auch in der Diskussion im Parlament. Wenn man den Standpunkt vertritt, Impfen ist gut, Nichtimpfen ist schlecht, wiegt man die Menschen in falscher Sicherheit. Die Vorsichtsmassnahmen werden nicht mehr so genau eingehalten. Das könnte ein Grund für die sich erhöhenden Fallzahlen sein. Natürlich lassen sich mit der Zertifikatspflicht viel mehr Menschen testen, das wird auch einen Ausschlag auf die steigenden Fallzahlen haben. 

Stellen Sie auch fest, dass man sich nicht mehr auf das Wort der Bundesräte verlassen kann? Herr Berset hat in einem Interview in der SonntagsZeitung im August davon gesprochen, dass die Einführung der 3G-Regel in der Schweiz «bizarr» sei, drei Wochen später hat er die Einführung angekündigt. 

Ja, das fällt mir auch auf und stört mich massiv, dass die Redlichkeit abhandengekommen ist. Der Bundesrat ist eine Magistratsperson. Wenn er öffentlich spricht und etwas sagt, dann muss er sich daran halten. Bundesrat Berset hat gesagt, wenn jeder sich impfen konnte, der das wollte, dann können wir mit den Massnahmen aufhören. Auf dieses bundesrätliche Versprechen haben viele Menschen ehrlich vertraut, und sie merken jetzt: Wir wurden belogen. Schauen Sie, es gibt sicher auch Gründe für eine Impfung. Aber letztendlich ist das eine persönliche Entscheidungs- und Abwägungsfrage, die jeder für sich selber treffen muss. Vorgängige Beratung sollte man sich nicht in der Politik holen, sondern bei Vertrauenspersonen aus dem Gesundheitswesen.

Bundesrat Berset argumentiert jetzt mit neuen Virusvarianten …

Das geht nicht. Er kann sich nicht darauf berufen, dass es jetzt die Delta-Variante oder sonst eine Variante gibt. Erstens gab es bereits zu dem Zeitpunkt schon Anzeichen, und als «Gesundheitsminister» sollte er wissen und wird er auch wissen, dass Viren immer mutieren. Dann zu sagen, was ich damals gesagt habe, gilt jetzt nicht mehr, geht nicht. Man muss den Bundesrat darauf behaften, was er dem Volk versprochen hat. Das Volk hat in dieser Zeit viel mitmachen müssen, insbesondere die jungen Leute mussten in den letzten 22 Monaten viel einstecken. Da ist es doch ganz entscheidend, dass man sich als Bürger auf die Worte des Bundesrats verlassen kann. Das Covid-19-Gesetz ist ein Wortbruch.

Was wäre denn eine sinnvolle Politik?

Ich möchte auf keinen Fall die USA als Vorbild sehen. Aber Texas hat in der Verfassung einen Passus aufgenommen, dass niemand aufgrund von Impfung oder eben Nichtimpfung ausgeschlossen werden darf. In Texas ist das Zertifikat sogar verboten. Die Zahlen sind weniger schlimm als bei uns. Ich bin nicht grundsätzlich gegen ein Zertifikat, so dass man auch ins Ausland reisen kann. Aber es muss im Inland auf freiwilliger Basis bleiben. Es wird Restaurants geben, die sagen, wir wollen das, wenn sie vornehmlich Kundschaft haben, die das verlangen, aber es gibt auch eine grosse Kundschaft, die das nicht will. Das Schweizer System wäre doch, dass jeder Unternehmer und jeder Konsument selbst entscheiden kann, wo er hingeht und wo nicht. Wenn man weiss, dass man eine angeschlagene Gesundheit hat und nicht geimpft ist, wird man nicht an Orte gehen, wo das Infektionsrisiko zu gross ist. Das ist doch letztlich eine Frage der Eigenverantwortung. Mich stört der Bevormundungsstaat, der genau zu wissen glaubt, was für mich und für Sie richtig ist. Er weiss es nicht besser, als es die Bürgerin und der Bürger für sich selbst wissen. Das System Eigenverantwortung hat in der Schweiz bisher ausgezeichnet funktioniert so wie die Grundeinstellung, dass der Bürger für sich besser entscheiden kann als irgend­ein Beamter in Bern.

Eine Demokratie lebt doch von der offenen Diskussion. Die wird aber zunehmend eingeschränkt, denn sogenannte Fachleute sagen uns, was wir zu tun haben.

Ich sehe das auch so. Ich gebe auch keine Empfehlung ab: Geht zum Impfen oder geht nicht zum Impfen. Ich bin ein Politiker, und das ist nicht meine Aufgabe. Das kann auch nicht Aufgabe der Politik sein. Noch weniger sollte die Politik entsprechend Zwangsmassnahmen anwenden. Bei dem Virus tut man so, als ob nur Fachleute mitsprechen könnten, und der demokratische Diskurs wird nicht geführt. Wenn man das weiterhin so betreiben will, dann könnte man bei jeder politischen Vorlage, wie z. B. beim Kampfflugzeug ebenfalls sagen, die technischen Details, das könne nur ein Experte – also hier ein Militär- oder Aviatik­experte – entscheiden. Denken wir zurück an die Volksabstimmung über Präimplantationsdiagnostik oder an die anstehende Volksabstimmung über Organspenden. Niemand hat dazu je behauptet, nur Fachpersonen dürften mitreden. Das wäre unschweizerisch und undemokratisch. Vergessen wir nicht, dass oft auch unter Fachpersonen ein Diskurs und unterschiedliche Wertungen existieren.

Wo bleibt dann die Mitsprache der mündigen Bürgerin und des mündigen Bürgers? 

Bei fehlendem Diskurs wird die direkte Demokratie abgeschafft. Bei jeder Abstimmung wird es solche geben, die mehr über ein Thema wissen und andere weniger. Das ist in einer Demokratie normal. Gerade deswegen braucht es den demokratischen Diskurs, und der wird aktuell nicht mehr geführt. In der Demokratie gilt das Prinzip, jeder hat eine Stimme und kann mitentscheiden. Damit kommt man am besten an das Gemeinwohl heran und nicht mit einer Expertokratie. Viele Experten sind auch nicht unabhängig, sondern irgendwo angeschlossen. Damit sind sie befangen, denn sie haben ihre Interessen und ihre Geldgeber, die sie finanzieren. 

Und wer will denn schon von sich behaupten, auch als Experte, er wisse, wie das alles zu sehen ist und vor allem, was die Massnahmen für die Menschen bedeuten, die, wie Sie sagten, einschneidende Eingriffe in die Freiheit verlangen?

Gerade was Covid-19 betrifft, ist noch so vieles nicht erforscht. Die sogenannten Experten mussten ihre Positionen ständig korrigieren, anpassen oder gänzlich verändern. Wenn man wirklich ehrlich wäre, müsste man konstatieren, dass man in vielen Bereichen schlicht und einfach noch keine Ahnung hat. 

Umso erstaunlicher ist es, dass sogar ehemalige Bundesräte aufgeboten werden, um die Menschen aufzufordern, sich impfen zu lassen.

Ja, wie schon gesagt, es ist nicht Sache der Politik, die Menschen zum Impfen zu drängen. Das kann man mit medizinisch Ausgebildeten, seinem Hausarzt oder seiner Hausärztin besprechen, aber entscheiden muss immer der einzelne. Es ist sein Leben, und er muss sich das sorgfältig überlegen.

Wie wird das beim Zutritt ins Bundeshaus bei der nächsten Session aussehen?

Es gilt 3G. Wir Parlamentarier haben in der Verfassung das Recht abzustimmen. Selbst wenn man im Gefängnis sitzen würde, müsste man denjenigen während der Session herauslassen, damit er abstimmen kann. Damit wollte man bei der Ausarbeitung der Verfassung verhindern, dass man unliebsame Meinungen einfach wegsperrt. Das wäre das erste Mal, dass es anders wäre und ein Teil nicht mehr abstimmen dürfte. Jetzt hat man das so organisiert, dass man sich am Morgen in eine Liste der Unbelehrbaren eintragen kann und dafür immer eine Maske tragen muss. Auch wird man auf einer Black-List geführt, als dummer oder gefährlicher Ungeimpfter, aber immerhin – man verzeihe mir die Ironie – darf man seiner verfassungsmässigen Pflicht abzustimmen noch nachkommen. 

Wie gehen Studierende mit der 3G-Regel um, wenn sie sonst nicht mehr an die Vorlesungen gehen können?

In der Arena hat eine junge Frau, die Corona hatte, unter Tränen erzählt, dass sie sich hat impfen müssen, damit sie weiter studieren konnte. Das hat noch einmal eine ganz andere Bedeutung, als wenn man nicht in die Ferien fahren oder nicht an ein Konzert gehen kann. Wenn wir ehrlich sind, ist dies zugegeben ein schöner, aber nicht lebensnotwendiger Luxus. Aber der Mensch hat ein Recht auf Bildung, das ihm hier einfach genommen wird. Das geht viel zu weit. Wenn jemand 20 Jahre alt ist und einen milden Krankheitserlauf wie diese Studentin hatte und genesen ist, bestätigt wahrscheinlich auch der konsequenteste Impfbefürworter, dass das Risiko einer Impfung grösser ist als eine erneute Ansteckung. Auch dass sie jetzt bereits beginnen, die Kinder zu impfen, obwohl es noch keine europäische Zulassung dafür gibt, ist äusserst fragwürdig. 

Kinder haben doch äusserst selten einen schweren Verlauf …

Mir sind auch keine schweren Verläufe bekannt. Im Gegenteil, eine durchgemachte Infektion stärkt wahrscheinlich das Immunsystem. Ich bin kein Experte, aber wenn das Immunsystem mit den Viren fertig wird, dann ist das doch eine Stärkung der ganzen Abwehrkräfte des Körpers.  

Eine Impfung macht man primär für sich selbst. Wenn man seinem Immunsystem mehr vertraut als der Impfung, wird ein extremer Druck auf denjenigen ausgeübt. Wenn es wenigsten so wäre, dass man als Geimpfter niemanden anstecken könnte. Aber nicht einmal das funktioniert, die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. 

Warum diskutiert man keine alternativen Wege, um dieser Krankheit und deren Ausbreitung Herr zu werden?

Ich weiss es nicht. Am Anfang gab es noch Länder wie Schweden, die einen anderen Weg gegangen sind und viel internationale Kritik dafür einstecken mussten, aber mit dem Impfen hat sich das gewandelt. 

Auch sollte man bei uns im Land ehrlich sein und sagen, dass es einen Impfzwang gibt, denn faktisch ist es ein Impfzwang. Da muss man nicht so tun, als ob alles freiwillig sei. Wenn das klar wäre, dann wären die Menschen wahrscheinlich nochmals eine Spur kritischer. 

Herr Nationalrat Reimann, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser

Wie wollen Parlament und Bundesrat das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung zurückgewinnen?

von Linus Huber

Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben als einzige auf unserem Globus die Möglichkeit, über jedes vom Parlament verabschiedete Gesetz abzustimmen, wenn ein Referendum ergriffen wird und die nötige Anzahl an Unterschriften zusammenkommt. In der Regel können Staaten ihre Gesetze beschliessen, ohne das Volk zu konsultieren. In der Schweiz hat tatsächlich das Volk das letzte Wort. So auch beim Covid-19-Gesetz, über das am nächsten Wochenende abgestimmt wird. Innert kürzester Zeit wurden über 180 000 anstatt der benötigten 50 000 Unterschriften gesammelt. Eine Gelegenheit, die Politik des Bundesrates zu korrigieren.

Im Vorfeld dieser Abstimmung wird viel geschrieben und die Mainstreammedien stehen in der Tendenz dem Gesetz wohlwollend gegenüber. Das ist nicht von ungefähr, denn der Bund verspricht ihnen Millionen an Unterstützungsgeldern und bezahlt damit die «indirekte» Zensur. Das erklärt vielleicht auch, warum unsere mediale Berichterstattung, getreu dem Sprichwort «beiss nie die Hand, die dich füttert» unisono in die gleiche Richtung zieht. Die NZZ lässt als löbliche Ausnahme andere Stimmen zu Wort kommen, selbst die Redaktion scheint sich in der Frage, wie das Covid-19-Gesetz und die Politik des Bundesrates einzuschätzen ist, nicht einig zu sein. Insbesondere die Redakteurin Katharina Fontana zeigt ein sehr feines Gespür für Rechtstaatlichkeit und Bürgerverantwortung. In einem Kommentar kritisiert sie offen die Corona-Politik des Bundes, die der Bürgerin und dem Bürger die Eigenverantwortlichkeit entzieht und «dies mittlerweile mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass jeder, der die obrigkeitliche Betreuung ablehnt und auf seine Grundrechte pocht, als Problembürger angesehen wird und sich rechtfertigen muss.»¹ Für die Abstimmung am 28. November hat die NZZ Stimmfreigabe beschlossen. Das ist ein deutliches Signal für die Fragwürdigkeit dieser Gesetzesvorlage. Namhafte Rechtsprofessoren haben in der NZZ auf die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung hingewiesen.2

Was wir in den letzten Wochen und Monaten erleben mussten, ist also eine zunehmende Politik der Entmündigung, gestützt auf das Prinzip Willkür.

Vertrauen missbraucht

Das Zusammenleben der Menschen beruht aber auf Vertrauen. Vertrauen in die Mitmenschen, Vertrauen in die Politik, Vertrauen in den Arzt, Vertrauen in den Tramchauffeur usw. Nur wenn man sich gegenseitig vertrauen kann, entsteht ein konstruktives Miteinander. Seit Beginn der Coronainfektionen wird bis heute in einem unerträglichen Masse mit dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gespielt. Immer wieder hat der Bundesrat versprochen, die Massnahmen zu lockern und zu einem normalen Leben zurückzukehren, doch das Gegenteil ist der Fall. Begleitet wird die zunehmende Beschränkung der Freiheit von einem medialen Sperrfeuer. Noch nie hat es das gegeben, dass in allen Nachrichten die Fallzahlen der Corona-Infizierten und die Zahlen der «in Verbindung mit Corona» Verstorbenen dem Zuhörer oder Zuschauer tagtäglich am Feierabend bis in den hintersten Winkel des Landes präsentiert werden. Bei keiner Grippeepidemie noch sonst einer Krankheit wurde je so unprofessionell kommuniziert. Nur schon die Formulierung «im Zusammenhang mit Corona» suggeriert doch, dass Corona für den Tod ausschlaggebend war. Kein Mensch weiss, wie diese Zahlen zustande kommen, ob alle Gestorbenen obduziert und die Todesursachen sauber festgestellt wurden, wahrscheinlich kaum. Niemand kennt das Alter der verstorbenen Personen, ob sie Vorerkrankungen hatten etc. Das geht im Grunde genommen auch niemanden etwas an, aber wenn mit diesen Zahlen öffentlich operiert wird, dann müssen sie auch sauber dargestellt werden. Aber anscheinend will man das gar nicht, sondern die Zahlen versetzen den Bürger in innere Alarmbereitschaft. Der Ausblick, dass man der nächste sein könnte, der in der Todesstatistik auftaucht, führte dazu, dass alle Einschränkungen der persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit durchgesetzt werden konnten. Aus Angst vor einer Infektion, die tödlich enden könnte, oder dem unerträglichen Gefühl, als unsolidarisch zu gelten und womöglich für die Erkrankung einer Person verantwortlich zu sein, fügte man sich in sein Schicksal. 

180 Personen sterben täglich

Tatsächlich sterben jeden Tag zwischen 170 und 190 Personen in der Schweiz.³ Man stelle sich einmal vor, jeden Tag würde uns mitgeteilt, wie viele Menschen gestorben sind, und man schlüssele das nach Krankheiten auf wie z. B. Krebs, Herzinfarkt, Hirnschlag etc. Was löst das bei uns Menschen aus, wenn wir jeden Abend hören: «Heute sind 30 Personen an Krebs gestorben...»? Ähnlich ist es mit den täglichen Fallzahlen. Es wird nicht mitgeteilt, wieviel Personen getestet werden, sondern nur die absoluten Zahlen. In den Ohren der Zuhörer sind das alles schwer Betroffene, die krank werden. Niemand weiss, wie viele davon wirklich erkranken. Bei vielen aber nimmt die Krankheit einen milden Verlauf. Also, was soll das? Menschen, die Angst haben, lassen sich auf jeden Fall viel leichter manipulieren.

Bundesrat ändert Massnahmen nach Belieben

Die Argumentionsbasis des Bundesrats für das Verschärfen der Massnahmen wird ständig den Bedürfnissen seiner Politik angepasst. So hiess es zu Beginn der Ausbreitung des Corona-Virus, «Masken nützen nichts»⁴, im Gegenteil, wenn man nicht ganz sorgfältig damit umgehe, so Experten, die man eigens im Radio zu Wort kommen liess, seien sie eher schädlich, da sich eine Vielzahl von Viren darin sammle. Um Ansteckungen tatsächlich zu verhindern, müssten diese Masken fachgerecht entsorgt werden. Wer weiss und macht das heute? Inzwischen sind die Masken zum Bestandteil unseres Lebens geworden: Laut Bundesrat sollen die uns schützen.

Mit Testen, Testen, Testen aus der Coronakrise

Auch das Händewaschen, sicher eine sinnvolle Hygienemassnahme, ist aus dem Katalog der Coronamassnahmen verschwunden. Erstaunlich, hat doch Bundesrat Berset selbst vor laufender Kamera gezeigt, wie man sich die Hände waschen soll. Dann kam das «Testen, Testen, Testen», um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.5 Schon hier fragten sich namhafte Wissenschafter, ob die Milliarde, die der Bund fürs Testen budgetiert hatte, nicht in effizientere Massnahmen wie allgemeine Hygiene gesteckt werden sollten. Was nie diskutiert wurde, war die Frage, ob es neben dem Setzen auf die Impfung und passivem Warten auf den Impfstoff noch andere Möglichkeiten gebe, die Menschen mit Medikamenten zu schützen oder akute Erkrankungen zu mildern. Dabei war im Sommer 2020 klar, dass die Entwicklung eines sicheren Impfstoffs Jahre brauchen wird und dass das Setzen auf die Impfung nicht zielführend sei. Alles vergessen!

Und dann kam der Impfstoff …

Als der Impfstoff auf den Markt kam, wurde diesem im Eilverfahren die Zulassung erteilt, und dies, wie der Nebelspalter in einem Artikel ausführlich dokumentiert, «obwohl zahlreiche Unterlagen noch fehlten […] Das Corona-Virus wurde von Swissmedic als ‹besondere Gefahrenlage› deklariert und sie macht darauf aufmerksam, welche Nachteile der schweizerischen Bevölkerung daraus erwachsen könnten. Trotzdem ist offensichtlich, dass zum Zeitpunkt der Zulassung viele Fragen insbesondere zu den Langzeitfolgen nicht beantwortet waren.»6 Die Verträge, die der Bund mit den Pharma-Firmen abgeschlossen hat, werden nicht offen gelegt und die Anfrage von Nationalrätin Estermann liess der Bundesrat mit halbseidenen Antworten ins Leere laufen.⁷ Auf der Homepage des Bundes steht, dass der Bund für mögliche Impfschäden haftet, «wenn diese behördlich empfohlen oder angeordnet waren» – es haftet also der Steuerzahler.⁸ 

Doch von diesem Zeitpunkt an war nur noch das Impfen der einzige Ausweg, eine Alternative gebe es nicht, war überall zu hören. Zuerst sollten aufgrund der Sterblichkeit vor allem die Risikogruppen, ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen geimpft werden. Danach alle, die sich impfen lassen wollen. Wenn das erfolgt sei, sollten die Massnahmen laut Bundesrat Berset aufgehoben werden.⁹ Doch der Bundesrat änderte seine Auffassung ohne ersichtlichen Grund, zumindest wurden die Fakten dazu nicht öffentlich dargelegt. Im Sommer 2021 hiess es dann aus dem Departement Berset, dass eine Lockerung der Massnahmen nur möglich sei, wenn sich noch mehr Menschen impfen liessen. Nun galt nicht mehr «Testen, Testen, Testen», sondern «Impfen, Impfen, Impfen». Und damit sich auch niemand mehr testen lässt, hat man die Kosten für die Tests, die bisher vom Staat finanziert und als entscheidendes Mittel der Prävention gesehen wurde, dem unbelehrbaren nicht Geimpften direkt aufgebürdet. Wider alle Beteuerungen wurden die Massnahmen aber nicht gelockert, sondern der Druck auf Ungeimpfte mit zusätzlichen Einschränkungen und entsprechender Stimmungsmache in den Medien noch verschärft.

Schutz der Spitalstruktur

Während sich die Menschen immer noch impfen liessen in der Hoffnung, sie seien vor der Infektion geschützt, hat der Bundesrat seine Strategie bereits geändert. In der Pressemitteilung vom 11. August schreibt er: «In seiner Sitzung vom 11. August 2021 hat der Bundesrat beschlossen, die geltenden Massnahmen aufrechtzuerhalten. Diese dienen künftig dem Schutz der Spitalstrukturen und nicht mehr der nicht geimpften Bevölkerung.»10 Es geht also nicht mehr darum, wie vorher immer beteuert, die Menschen vor einer Ansteckung zu schützen. Inzwischen zeigte sich auch, dass der Impfstoff dieses Versprechen, über 90 % vor einer Ansteckung zu schützen, nicht erfüllt. Immer häufiger gemeldete «Impfdurchbrüche» lassen sich nicht länger vertuschen. Ziel ist jetzt, die Kapazitäten der Spitäler nicht über zu strapazieren, dies, nachdem man 40 % der Intensivbetten – wohlgemerkt während der Epidemie – gestrichen und damit eine Verknappung herbeigeführt hatte.11

Aber auch auf die Ankündigung des Bundesrats, dass die Spitalauslastung der Indikator für die Lockerung der Massnahmen sei, ist kein Verlass. Dass die Spitäler weit von einer Überbelastung entfernt sind, bestätigte sogar der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger, der am liebsten noch rigoroser vorgehen würde, letzten Donnerstag in der Pressekonferenz mit Bundesrat Berset.12 Damit wäre eine Lockerung der Massnahmen fällig. Doch der Bundesrat hat seine für Mitte November angekündigten neuen Informationen zum weiteren Vorgehen in der Corona-Frage erst einmal verschoben. Wahrscheinlich wartet er die Abstimmung vom 28. November ab. Sollte sie zu seinen Gunsten ausfallen, wird er in Zukunft noch willkürlicher mit dem Volk umspringen können. Das gestörte Vertrauen in die Politik des Bundesrats wird dadurch kaum wieder hergestellt.

¹ Der zertifizierte Bürger – wie man ein Land spaltet NZZ vom 01.11.2021.
² Covid-19-Gesetz: Der Bundesrat kann, kann, kann in NZZ vom 20.10.2021.
³ www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/sterblichkeit-todesursachen.html
www.swissinfo.ch/ger/maskenpflicht--hin-und-her-des-bundesrates-praegt-noch-heute-die-haltung-vieler-schweizer/45986796m
5 www.aargauerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/corona-testen-testen-und-nochmals-testen-bundesrat-weitet-strategie-aus-ld.2090770
6 www.nebelspalter.ch/impfstoffe-bei-den-zulassungen-ist-man-grosse-risiken-eingegangen?code=-526608073
7 www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20217669
8 www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20217671 «Eine Entschädigung durch den Bund an geschädigte Personen für Impfschäden kommt nur bei Impfungen in Betracht, wenn diese behördlich empfohlen oder angeordnet waren (Art. 64 EpG).»

9 www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/aktuell/medienmitteilungen.msg-id-83199.html
10 www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/aktuell/medienmitteilungen.msg-id-84676.html
11 www.20min.ch/story/baute-die-schweiz-mitten-in-der-krise-intensivplaetze-ab-491605637583
12 www.tagesanzeiger.ch/was-sagt-berset-zu-den-steigenden-fallzahlen-316136956999

Leserbrief: Wie kommen wir gemeinsam und mitmenschlich aus der Krise?

Wie Menschen heute zum Impfen überredet und gedrängt werden, hätte man sich in unserem Land noch vor kurzem nicht vorstellen können.

Wie schnell nun in unseren Nachbarländern durchgegriffen wird, löst auch in mir Besorgnis aus.

Im SRF-Club vom 9. November wurde ein Maturand aus Luzern, der es wagte, Fragen zur Impfkampagne zu stellen, von sämtlichen Teilnehmern mit Unverständnis, Aversion, Wutanfällen und Belehrungen gemassregelt – ein Lehrstück in Sachen Propaganda. 

Eine  Debatte, eine sachliche Auseinandersetzung darf offensichtlich nicht stattfinden! – Was ist da eigentlich los? 

Das hat mit unserem demokratischen Staatsverständnis und dem Bürger als «citoyen», als freiem, selbstverantwortlichen Menschen nichts mehr zu tun.

Statt «die Schrauben immer mehr anzuziehen» und sich dabei aufs undemokratische Glatteis zu begeben und in völlige Abhängigkeit der pharmabestimmten WHO zu geraten, wäre es erfolgsversprechender, gemeinsam mit den Bürgern eine Lösung zu finden. 

Das verlangt unsere gültige Verfassung, das verlangt auch die Geschichte unseres Landes, die uns alle unsere Rechte, die direkte Demokratie, erst ermöglicht hat.

Ulrich Meister, Menziken

 

«Geben Sie Ihre Rechte nicht auf!»

«Die Demokratie, die ‹Herrschaft des Volkes›, erlaubt nicht nur die freie Meinungsäusserung und Forschung, sie erfordert sie»

Rede von Professor Dr. Julie Ponesse*

Seit Sars-Cov-2 kursiert, greifen Regierungen – nicht nur autokratische, sondern auch demokratische – weltweit zu Massnahmen, die die Rechte der Bürger in unverhältnismässigem Masse beschneiden. Mit Hilfe willfähriger Medien wird eine Stimmung der Angst und der Intoleranz erzeugt. Wer es wagt, das öffentliche Narrativ der Impfung als einzigen Ausweg aus der Krise zu hinterfragen, wird medial verunglimpft, zensuriert und droht gekündigt zu werden. Nichtsdestotrotz gibt es überall auf der Welt Menschen, die sich das Denken und das freie Wort nicht verbieten lassen. Die kanadische Ethikprofessorin Julie Ponesse ist eine von ihnen. Sie lehrt seit 20 Jahren an der Huron University in Ontario ihre Studenten kritisches Denken, die Bedeutung von Selbstreflexion, wie man gute Fragen stellt, wie man aus der Vergangenheit lernt und warum Demokratie Bürgertugend erfordert. Am 16. September 2021 wurde sie fristlos entlassen, weil sie das tat, was sie ihre Studentinnen und Studenten lehrte. Am 28. Oktober wandte sie sich in einer mutigen und ermutigenden Rede an die Öffentlichkeit:

Denken Sie ein paar Jahre zurück – sagen wir, an den Herbst 2019. Was haben Sie damals gemacht? Wie sah Ihr Leben aus? Was war Ihnen wichtig? Wovor hatten Sie am meisten Angst? Was haben Sie sich für die Zukunft vorgestellt?

Prof. Dr. Julie Ponesse (Bild zvg)

Das ist die Person, zu der ich in den nächsten 15 Minuten sprechen möchte, und ich beginne mit meiner eigenen Geschichte: Am Ende werde ich Sie um einen Gefallen bitten und ein kleines Geheimnis mit Ihnen teilen.

Im Herbst 2019 war ich Professorin für Ethik und antike Philosophie. Ich lehrte Studenten kritisches Denken und die Bedeutung der Selbstreflexion, wie man gute Fragen stellt und Beweise bewertet, wie man aus der Vergangenheit lernt und warum Demokratie Bürgertugend erfordert.

Am 16. September 2021 erhielt ich eine Kündigung «mit Begründung», nachdem ich die Impfpflicht, die mein Arbeitgeber verfügt hatte, in Frage gestellt und mich geweigert hatte, sie zu befolgen. Ich wurde entlassen, weil ich genau das tat, wofür ich angestellt worden war. Ich war Ethikprofessorin und stellte in Frage, was ich für eine unethische Forderung halte. Man muss nicht sehr genau hinsehen, um die Ironie zu erkennen.

Kanada unterliegt Gesetzen, die auf Ethik beruhen. Man könnte sagen, dass die Ethik das Fundament unserer Demokratie ist.

«Das Recht, selbst zu bestimmen, was mit dem eigenen Körper geschehen soll und was nicht, und medizinische Behandlungen, die man nicht möchte, abzulehnen, ist ein Recht, das tief in unserem Gewohnheitsrecht verwurzelt ist.» Das sind nicht meine Worte, sondern die des Richters Sydney Robins vom Berufungsgericht in Ontario.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen gilt im kanadischen Recht der Körper eines jeden Menschen als unantastbar, und dies ist der Grundgedanke des Nürnberger Kodex – ein Versprechen an die Menschheit, nie wieder medizinischen Eingriffen ohne Zustimmung und ohne genaue Informationen ausgesetzt zu werden, selbst wenn sie dem Wohl des Patienten oder dem öffentlichen Wohl dienten.

Definitionsgemäss handelt es sich bei der Impfpflicht um eine Zwangsimpfungsstrategie: Ohne Zwang – beispielsweise ohne Androhung, den Arbeitsplatz zu verlieren – würden die Menschen freiwillig nicht das tun, was die Vorschrift zu erreichen versucht!

Die Arbeitgeber halten unsere Karrieren in Geiselhaft und verweigern uns die Teilnahme an der Wirtschaft und am öffentlichen Leben. Ihre Rechtfertigung ist, dass «wir uns in einer Pandemie befinden» und daher die Autonomie über unseren Körper zum Wohle der Allgemeinheit aufgeben müssten.

Sprechen wir also kurz über Autonomie und das öffentliche Wohl. In Notfällen haben das Parlament und die Gesetzgeber der Provinzen eine begrenzte Befugnis, Gesetze zu erlassen, die im Interesse des Gemeinwohls gegen bestimmte Rechte der Charta verstossen. Aber um diese Verstösse zu legitimieren, muss die Impfpflicht müssten eine sehr hohe Hürde nehmen: Covid-19 müsste zum Beispiel ein hochvirulenter Erreger sein, für den es keine geeignete Behandlung gibt, und die Impfstoffe müssten nachweislich wirksam und sicher sein. Der derzeitige Stand der Dinge in Kanada erfüllt keines dieser Kriterien.

Bedenken Sie diese Fakten:

  Covid-19 hat eine Infektionsrate, die nicht einmal 1 % derjenigen der Pocken beträgt (und stellt für Kinder ein noch geringeres Risiko dar).

Es gibt eine Reihe von sicheren, hochwirksamen Arzneimitteln zur Behandlung (einschliesslich monoklonaler Antikörper, Ivermectin, Fluvoxamin, Vitamin D und Zink).

Die neuen Impfstoffe haben zu mehr Nebenwirkungen geführt (einschliesslich zahlloser Todesfälle) als alle anderen auf dem Markt befindlichen Impfstoffe in den letzten 30 Jahren zusammen.

In Anbetracht dieser Fakten stellen sich mir viele Fragen: Warum werden den Geimpften Impfpässe und Zugang zu öffentlichen Räumen gewährt, obwohl der Direktor der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) erklärt hat, dass die Covid-19-Impfstoffe die Übertragung nicht verhindern können? Warum ist die Impfung die einzige Strategie zur Eindämmung der Krankheit, obwohl neue Erkenntnisse (einschliesslich einer aktuellen Harvard-Studie) keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Impfrate und den Neuerkrankungen zeigen? Warum hält unsere Regierung weiterhin Ivermectin als empfohlene Behandlung zurück, obwohl die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA es unterstützen und der indische Bundesstaat Uttar Pradesh es an seine 230 Millionen Einwohner verteilt hat, wodurch die Covid-Todesrate auf fast Null gesunken ist? Wie konnte Indien Kanada in der Gesundheitsversorgung überholen? Warum sind wir im Begriff, 5-Jährige zu impfen, wenn Covid für sie ein geringeres Risiko darstellt als die möglichen Impfstoffreaktionen und wenn es kein wirksames Überwachungssystem für die Impfstoffe gibt? Warum konzentrieren wir uns auf die geringen Vorteile der durch Impfung erzeugten Immunität, wenn Studien aus der Praxis zeigen, dass die natürliche Immunität mehr Schutz bietet, stärker und dauerhafter ist? Warum verunglimpfen wir die «Impfverweigerer» und nicht die «Impfbefürworter»?

«Warum», so fragte kürzlich eine Krankenschwester, «müssen die Geschützten vor den Ungeschützten geschützt werden, indem man die Ungeschützten zwingt, den Schutz anzuwenden, der die Geschützten von vornherein nicht geschützt hat?» In jeder Hinsicht und aus jedem Blickwinkel ist dies ein «Kartenhaus», das zusammenzubrechen droht.

Aber die Frage, die mich interessiert, lautet: Warum ist es nicht schon zusammengebrochen? Warum stehen diese Fragen nicht jeden Tag in den Schlagzeilen aller grossen kanadischen Zeitungen?

Haben die richtigen Leute einfach nicht die richtigen Daten gesehen? Handelt es sich nur um einen Schreibfehler – in globalem Ausmass?

Was ist aus unserer Führung geworden? Unser Premierminister führt den Schlachtruf an:  «Glaubt nicht, dass ihr in ein Flugzeug steigen könnt», drohte er. Wahlkampfversprechen sind jetzt öffentliche Politik der Segregation. Unsere Regierung ermutigt uns täglich, spalterisch und hasserfüllt zu sein.

Wie haben sich die Dinge so drastisch verändert? Wie konnten wir Kanadier uns so drastisch verändern?

Meiner Beobachtung nach haben wir es nicht nur mit einem Virus zu tun, sondern mit einer Pandemie der Nachgiebigkeit und Selbstgefälligkeit, mit einer Kultur des Schweigens, der Zensur und des institutionalisierten Mobbings. Die Mainstream-Medien sprechen gerne davon, dass wir einen «Informationskrieg» führten – dass Fehlinformationen und sogar Fragen und Zweifel diese Pandemie ausgelöst hätten.

Aber es sind nicht nur Informationen, die in diesem Krieg als Waffe eingesetzt werden, sondern auch das Recht des einzelnen, für sich selbst zu denken. Ich habe gehört, dass manche Leute sagen: «Nun, ich weiss nicht so viel über Viren, also sollte ich eigentlich keine Meinung haben, aber…»

Die Frage ist nicht, ob Sie mehr über Virologie wissen als unsere Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens. Die Frage ist, warum wir sie nicht alle dazu auffordern, zu erklären, warum sie nicht bereit sind, sich mit den Beweisen auseinanderzusetzen und mit jemandem zu diskutieren, der eine andere Meinung hat. Wir sollten nicht nach einem Ergebnis rufen, sondern nach der Wiederherstellung eines Prozesses. Ohne diesen Prozess haben wir keine Wissenschaft, haben wir keine Demokratie. Ohne diesen Prozess befinden wir uns in einer Art moralischem Krieg. Aber die Kriege der Vergangenheit hatten klare und deutliche Grenzen: der Osten und der Westen, Patrioten und Regierung.

Der Krieg, in dem wir uns heute befinden, ist ein Krieg der Infiltration statt der Invasion, der Einschüchterung statt der freien Wahl, der psychologischen Kräfte, die so heimtückisch sind, dass wir glauben, die Ideen seien unsere eigenen und dass wir unseren Teil dazu beitragen, indem wir unsere Rechte aufgeben.

Wie ein weiser Kollege kürzlich sagte: «Dies ist ein Krieg über die Rolle der Regierung. Es geht um unsere Freiheit zu denken und Fragen zu stellen, und darum, ob die individuelle Autonomie zu einem bedingten Privileg herabgestuft werden kann oder ob sie ein Recht bleibt. Es ist ein Krieg darüber, ob man ein Bürger bleibt oder ein Untertan wird. Es geht darum, wem du gehörst – dir oder dem Staat.» Es geht darum, wo wir die Grenze ziehen.

Hier geht es nicht um Liberale und Konservative, Befürworter und Gegner von Impfungen, Experten und Laien. Jeder sollte sich um die Wahrheit kümmern, jeder sollte sich um die wissenschaftlichen und demokratischen Prozesse kümmern, jeder sollte sich um den anderen kümmern.

Ich würde behaupten, dass es wenig Wert hat, das Überleben unserer Nation zu sichern, wenn unsere Freiheit, zu debattieren, zu kritisieren und Beweise für das zu fordern, was unsere Regierung von uns verlangt, nicht mit ihr überlebt.

Als jemand, der in den 70er Jahren geboren wurde, hätte ich nie gedacht, dass dies ein Krieg sein würde, den ich würde führen müssen, dass das Recht auf körperliche Autonomie, auf freien und transparenten Informationsaustausch in Gefahr sein würde.

Denken Sie nur eine Minute lang an die unvorstellbarsten Greueltaten des letzten Jahrhunderts – die «Endlösung» die südafrikanische Apartheid, die Völkermorde in Ruanda und Kambodscha. Sollten wir uns nicht an die Greueltaten der Vergangenheit erinnern, damit wir sie nicht wiederholen? Nun, das Gedächtnis ist kurz, Familienbande werden zerrissen, neue Sorgen verdrängen die alten, und die Lehren aus der Vergangenheit verblassen in der Geschichte, um vergessen zu werden.

Heute scheinen die Geimpften alle Rechte und Privilegien einer zivilisierten Gesellschaft zu geniessen: Freizügigkeit, Zugang zu Bildung und die Zustimmung von Regierungen, Gesetzgebern, Journalisten, Freunden und Familie. Die Impfung ist die Eintrittskarte zu einer bedingten Rückkehr unseres Rechts auf Teilhabe an der kanadischen Gesellschaft. Aber wie John F. Kennedy sagte: «Die Rechte eines jeden Menschen werden geschmälert, wenn die Rechte eines einzigen Menschen bedroht sind.»

Fazit

Ich habe keinen Zweifel daran, dass Covid-19 die grösste Bedrohung für die Menschheit ist, mit der wir je konfrontiert waren; nicht wegen eines Virus – das ist nur ein Kapitel einer viel längeren, komplexeren Geschichte –, sondern wegen unserer Reaktion darauf. Und diese Reaktion verdient meiner Meinung nach ihren Platz in jedem Lehrbuch der medizinischen Ethik, das im nächsten Jahrhundert erscheinen wird.

Was können wir tun?

Wie der kanadische Chemiker und Autor Orlando Battista sagte: «Ein Fehler wird erst dann zu einem Fehler, wenn man sich weigert, ihn zu korrigieren.» In unserer Welt scheinen Höflichkeit, «durchzukommen» und «unter dem Radar zu fliegen» die Ziele zu sein. Die Revolutionäre der 60er Jahre sind verschwunden, die Patrioten des frühen Amerikas sind verschwunden. Wir sind die Opfer – und die Soldaten – einer Pandemie der Konformität.

Aber Nachgiebigkeit ist keine Tugend, sie ist nicht neutral, und sie ist ganz sicher nicht harmlos. 

Als Hannah Arendt 1961 für den «New Yorker» über den Prozess gegen Adolf Eichmann berichtete, erwartete sie, einen komplexen, arroganten, teuflischen, vielleicht psychotischen Mann anzutreffen. Was sie vorfand, war genau das Gegenteil. Sie war beeindruckt von seiner «Alltäglichkeit». Er war «furchtbar und erschreckend normal», schrieb sie, ein Mann, der «nur Befehle befolgt», wie er immer wieder sagte. Was sie fand, war das, was sie die «Banalität des Bösen» nannte, die gedankenlose Tendenz gewöhnlicher Menschen, Befehle zu befolgen, um sich anzupassen, ohne selbst zu denken. 

Die abwertenden, gut einstudierten Botschaften unserer Gesundheitsbehörden haben eine hocheffiziente Maschinerie geschaffen, die ihre Beweise nicht veröffentlicht und sich nicht an Debatten beteiligt, sondern nur Befehle erteilt, die wir brav befolgen. Mit Hilfe der Medien werden ihre Fehler vertuscht, ihre Politik nicht hinterfragt und Andersdenkende zum Schweigen gebracht.

Wie können wir dieses Schweigen brechen? Wie können wir unsere Vernunft wiedererlangen und unsere Demokratie wieder aufbauen? Vielleicht ist es an der Zeit, ein wenig lauter zu werden. Studien haben bewiesen, dass, sobald eine Idee von nur 10 % der Bevölkerung angenommen wird, dies der Wendepunkt ist, an dem Ideen, Meinungen und Überzeugungen schnell von den anderen übernommen werden. Stimmgewaltige  oder laute 10 % sind alles, was es braucht.

Die Demokratie, die «Herrschaft des Volkes», erlaubt nicht nur die freie Meinungsäusserung und Forschung, sie erfordert sie. 

Und das kleine Geheimnis, das ich Ihnen am Anfang versprochen habe? Hier ist es: Sie sind kein schlechter Mensch, weil Sie Beweise verlangen, Sie sind kein schlechter Mensch, weil Sie Ihren Instinkten vertrauen, und Sie sind kein schlechter Mensch, weil Sie selbst denken wollen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. 

Wenn Sie sich Sorgen über den Verlust von Gerechtigkeit machen, wenn Sie sich Sorgen darüber machen, welche Art von Leben für unsere Kinder möglich sein wird, wenn Sie Ihr Land zurückhaben wollen – das Land, um das uns die Welt einst beneidet hat – dann ist jetzt die Zeit zu handeln. Es gibt keinen Grund zu warten, es gibt keinen Luxus und keine Entschuldigung zu warten. Wir brauchen Sie jetzt.

Jetzt ist es an der Zeit, unsere Politiker anzurufen und an unsere Zeitungen zu schreiben.

Jetzt ist es an der Zeit zu protestieren, jetzt ist es an der Zeit, unsere Regierung herauszufordern und ihr sogar zu widersprechen.

Wie Margaret Mead sagte: «Zweifeln Sie nie daran, dass eine kleine Gruppe nachdenklicher, engagierter Bürger die Welt verändern kann; in der Tat ist dies das einzige, was jemals geschehen ist.»

Mit anderen Worten, Sie brauchen keinen Stamm von Helden, keine Massen von Helden, kein Land von Helden. Sie brauchen nur einen. Sie können Ihren Teil beitragen und Sie können etwas bewirken. Die Piloten der Southwest Airlines, die kanadischen Mounties, die Krankenschwestern des University Health Network – sie alle leisten einen Beitrag.

Und der Gefallen, um den ich Sie bitten muss? Wir brauchen Helden jetzt mehr denn je. Unsere Demokratie verlangt nach Freiwilligen … Werden Sie ein Held sein, für unser Land, für unsere Kinder?

Werden Sie Teil der lauten 10 % sein?

* Dr. Julie Ponesse ist Professorin für Ethik und lehrt seit 20 Jahren am Huron University College in Ontario. Aufgrund der Impfpflicht wurde sie beurlaubt und durfte ihren Campus nicht mehr betreten. Sie hielt am 28. Oktober 2021 einen Vortrag im Rahmen der Reihe «Glaube und Demokratie». Dr. Ponesse hat nun eine neue Aufgabe bei The Democracy Fund übernommen, einer eingetragenen kanadischen Wohltätigkeitsorganisation, die sich für die Förderung der bürgerlichen Freiheiten einsetzt, wo sie als Pandemie-Ethikerin tätig ist.

Quelle deutsche Version:
https://blog.bastian-barucker.de/geben-sie-ihre-rechte-nicht-auf-ethikprofessorin-dr-ponesse/

Wir danken Bastian Barucker für die Zuverfügungstellung der deutschen Übersetzung.

Quelle englische Originalversion:
https://brownstone.org/articles/do-not-give-up-your-rights-dr-julie-ponesses-remarkable-speech/

Wir danken Dr. Julie Ponesse für die Abdruckgenehmigung.

«Es gibt kein Menschenrecht auf Migration»

Interview mit Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas, Völkerrechtler und ehemaliger Uno-Mandatsträger

Prof. Dr. Alfred de Zayas (Bild zvg)
Prof. Dr. Alfred de Zayas (Bild zvg)

Zeitgeschehen im Fokus Ist Polen verpflichtet, die Flüchtlinge an der Grenze zu Belarus aufzunehmen? 

Prof. Alfred de Zayas Nein. Die Einreise von Migranten gehört zur Staatensouveränität. Migration hat bedeutende Implikationen im Bereich der nationalen Sicherheit, Gesundheit usw. Weder der Uno-Pakt über bürgerliche und politische Rechte noch die Uno-Flüchtlingskonvention verpflichten Polen, die Migranten aufzunehmen. 

Könnten nicht «echte» Flüchtlinge darunter sein?

Natürlich, einige sehr wenige unter den Migranten könnten eventuell einen Anspruch auf Flüchtlingsstatus haben, und dies sollten allenfalls die Beamten des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte regeln. Man kann von Polen nicht erwarten, dass es jetzt die zehntausenden Migranten als potentielle Flüchtlinge betrachtet und sich damit beschäftigt, alle individuell anzuhören. Es ist nicht zumutbar und würde einen schlechten Präzedenzfall darstellen. Natürlich ist die Sache mit der Geopolitik verwickelt, und einige Politiker berufen sich auf das Flüchtlingsrecht, beachten nicht die aktuellen Umstände und versuchen es, nach Belieben auszudehnen, um ihre politischen Agenden zu rechtfertigen. Doch die Genfer Flüchtlingskonvention wurde nicht geschaffen, um die Einreise von Migranten zu ermöglichen, sondern um Personen, die politisch verfolgt werden, einen zeitweiligen Schutz zu gewähren.

Wer hat Recht auf Asyl im Völkerrecht?

Gewiss Julian Assange, sicherlich Edward Snowden, aber nicht die Tausenden von Migranten, die nach der Genfer Konvention keine Flüchtlinge sind und keinen Schutz unter dieser oder anderen Konventionen in Anspruch nehmen können.

Ist das Verhalten von Belarus an der Grenze zu Polen völkerrechtskonform?

Belarus hat erlaubt, dass Migranten das Land durchqueren dürfen. Wenn sie an die Grenze zu Polen angelangt sind, dann ist es Polens souveränes Recht, sie aufzunehmen oder abzulehnen. Hier müsste sich die Uno-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) nützlich machen und die Repatriierung der Migranten nach Afghanistan, Irak und Syrien organisieren. Aber der jetzige Hochkommissar benimmt sich wie ein Politiker und nicht wie ein internationaler Beamter. Er hilft nicht, er hetzt.

Können Migranten nicht als Flüchtlinge betrachtet werden?

Eigentlich nicht. Da gibt es verschiedene juristische Regelungen. Viele Politiker, vor allem von der politischen Linken, behaupten, dass es ein Recht auf Asyl gebe, aber vergessen dabei, dass es präzise juristisch definierte Vorbedingungen gibt, um den Flüchtlingsstatus zu erlangen. 99 % der heutigen Asylsuchenden haben keinen Anspruch aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention, obwohl sie einen Anspruch gemäss den jeweiligen nationalen Gesetzen haben könnten, je nach dem, was die Gesetzgeber in Deutschland, Frankreich, den USA etc. bestimmt haben. Sowohl der ­Missbrauch der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Missbrauch von anderen völkerrechtlichen Verträgen korrumpieren die internationale Weltordnung und gefährden die Rechtssicherheit.

Es gibt also kein Menschenrecht auf Migration?

Genau. Aber natürlich sind Migranten Menschen wie wir und haben dieselbe dignitas humana, dieselben Menschenrechte. Allerdings beinhaltet der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte kein Recht auf Migration, und auch kein anderer völkerrechtlicher Vertrag. Es gibt zwar Erklärungen und »soft law»-Resolutionen, die aber nicht verbindlich sind. 

Was sagt das Völkerrecht zur Frage von Souveränität und Migration?

Während manche Politiker und Journalisten Migration als Menschenrecht erklären möchten, wird diese Meinung durch das heutige Völkerrecht nicht getragen, und man muss die Korrumpierung des Völkerrechts als politische Machenschaft und als «Fake Law» ablehnen. Im Namen der Uno-Charta, in Hinblick auf die Hauptaufgabe der Uno, den Frieden zu fördern und potentielle Konflikte zu vermeiden, muss die Migration kontrolliert werden. Professor Karl Doehring,¹ ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Völkerrecht, schrieb in der Encyclopedia of Public International law,² dass weder unter Völkergewohnheitsrecht noch unter Vertragsrecht ein Staat verpflichtet ist, Migranten aufzunehmen. Ich zitiere: «Die Staaten behalten ihr überwiegendes Interesse an und ihre letzte Verantwortung für ihre eigene Sicherheit und für das Wohlergehen ihrer Staatsangehörigen […] Solange die Staaten weder Willens noch in der Lage sind, auf Spionagetätigkeiten in nahezu allen Angelegenheiten, seien sie militärischer oder wirtschaftlicher Art, zu verzichten, muss jeder Staat sein Recht auf Selbstschutz wahren. Massnahmen der Staaten zum Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen, etwa zur Begrenzung der Arbeitslosigkeit im eigenen Land, dürfen nicht verboten werden […] die Garantie der völligen Freizügigkeit würde die Völkerrechtsordnung in ihrer friedenssichernden Funktion gefährden.»

Das gilt heute noch?

Dies ist der Stand der völkerrechtlichen Doktrin und wird von der Mehrheit der Völker- und Staatsrechtler so gesehen, u.a. von Karl Albrecht Schachtschneider³, Reinhard Merkel⁴, Dietrich Murswiek⁵, Dieter Blumenwitz⁶, Felix Ermacora⁷, Otto Kimminich⁸, Gilbert Gornig⁹, Detlef Horn10, und Hans-Jürgen Papier11, um nur einige Namen zu nennen. 

Hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu dieser Frage geäussert?

Auch der EGMR hat die Tatsache bestätigt, dass Staaten ihre Grenzen schliessen können und dass illegale Migranten ausgewiesen werden können.12

Was besagt die Universelle Erklärung der Menschenrechte?

Artikel 13 stipuliert: «Jeder Mensch hat das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates. Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschliesslich sein eigenes, zu verlassen.»13

Was heisst das in Bezug auf die Flüchtlinge?

Dies bedeutet, die Bewegungsfreiheit gilt innerhalb eines bestimmten Staates. Die Ausreise ist erlaubt, aber keine Bestimmung des Völkerrechts garantiert ein Recht auf Einreise, die gemäss der Souveränitätslehre ein Vorrecht eines jeden Staates darstellt, denn der Staat ist ontologisch für das Wohlergehen und den sozialen Frieden im Lande verpflichtet. Um jedes Missverständnis zu vermeiden, stipuliert Artikel 12 des Uno-Paktes über bürgerliche und politische Rechte: «Jedermann, der sich rechtmässig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen.» Bedingung für die Bewegungsfreiheit ist also, dass man sich rechtmässig im Hoheitsgebiet eines Staates befindet. Dies begründet allerdings keine Bewegungsfreiheit über Grenzen hinaus.

Dann entspricht die Argumentation einiger Politiker nicht dem Völkerrecht?

Weder der Uno-Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Pakt über wirtschaftliche, soziale, und kulturelle Rechte noch die Europäische Menschenrechtskonvention erkennen ein Recht auf Migration an. Die Uno-Konvention zum Schutz der Rechte der Migranten schreibt bestimmte Rechte von Migranten fest, nachdem diese im Lande sind. Aber auch sie schafft kein Recht auf Migration. Nur 56 Staaten haben diese Konvention im übrigen ratifiziert aber – nota bene – Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Polen, Ukraine, Schweden, Ungarn, USA sind nicht dabei.

Was sollen die Staaten tun, um die Migrationskrisen zu bewältigen?

Zunächst müssen die Staaten aufhören, sich in die inneren ­Angelegenheiten von anderen Staaten einzumischen. Jeder Krieg, jede sogenannte «humanitäre Intervention» bringt Chaos mit sich – und dies löst Migrationswellen aus. Man muss stets Ursache und Folge betrachten.

Wie kann man den betroffenen Menschen gerecht werden?

Obwohl freilich «abusus non tollit usum» – denn es gibt doch legitime Asylsuchende –, muss eine neue Ordnung geschaffen werden, um den massiven und hunderttausendfachen Missbrauch zu bannen. Wenn dies nicht gelingt, muss eine neue Flüchtlingskonvention vereinbart werden,14 und die jetzige als obsolet abgeschafft werden, und zwar nach den Regeln der Wiener Vertragsrechtskonvention und nach dem völkerrechtlichen Prinzip «rebus sic stantibus».15 Es ist nicht zumutbar, dass die Flüchtlingskonvention ständig ausgedehnt und miss­interpretiert wird, um zu verlangen, dass ein Staat Hunderttausende von Asylanträgen individuell prüft und während dieser Zeit für Unterkunft, Ernährung, Gesundheit der Asylsuchenden sorgen muss – zumindest dann nicht, wenn die Erfahrung zeigt, dass 99 % der Anträge abgelehnt werden müssen, weil es sich um Migranten und nicht um Flüchtlinge handelt. 

Hat der Staat nicht vor allem seinen eigenen Bürgern gegenüber Verpflichtungen?

Die Verpflichtung eines jeden Staates besteht darin, seine Bevölkerung vor inneren und äusseren Gefahren zu schützen, das gehört zur Ontologie des Staates. Man kann sich dabei auf die Hard-law-Verpflichtung in Artikel 9 des Uno-Paktes über bürgerliche und politische Rechte berufen – nämlich auf die Verpflichtung des Staates, die Sicherheit aller Personen unter seiner Jurisdiktion angemessen zu sichern. Artikel 9 beschränkt sich nicht auf das Verbot der willkürlichen Verhaftung, sondern auferlegt dem Staat eine pro-aktive Verpflichtung, die Bevölkerung durch Polizei und Gerichte zu schützen. Der Artikel stipuliert: «Jedermann hat ein Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit.» Das Recht auf Sicherheit muss vom Staat dadurch gewährleistet werden, dass Androhungen, Belästigungen, Rechtsbrüche untersucht werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Polizei also trägt eine rechtsstaatliche Verantwortung, Verbrechen nicht ungestraft zu lassen. 

Gibt es dafür konkrete Beispiele?

Die Jurisprudenz des Uno-Menschenrechtsausschusses unter Artikel 9 ist konstant.16 So ging es z.B. im Fall Delgado Paez vs. Kolumbien um einen fortschrittlichen Lehrer, der Morddrohungen gegen ihn angezeigt hatte, die jedoch nicht untersucht wurden. Nachdem ein Kollege von ihm durch paramilitärische Gruppierungen ermordet worden war, flüchtete er nach Frankreich, wo er Asyl bekam. Der Ausschuss stellte eine Verletzung des Artikels 9 fest und erklärte: «An interpretation of article 9 which would allow a State party to ignore threats to the personal security of non-detained persons within its jurisdiction would render totally ineffective the guarantees of the Covenant». Ähnlich urteilte der Ausschuss in den Fällen Rafael Mojica vs. Dominikanische Republik, Tshishimbi vs. Zaire, Angel Oló Bahamonde vs. Equatorial Guinea, Celis Laureano vs. Peru, Bautista und Jiménez Vaca vs. Kolumbien, Jayawardena und Lalith Rajapakse vs. Sri Lanka, um nur Beispiele zu nennen.

Was spielt der Uno-Migrationspakt im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsfrage für eine Rolle?

Zunächst muss klargestellt werden, dass der Uno-Pakt kein verbindlicher Vertrag ist. Hier springt ein semantisches Problem ins Auge: Warum wird die unverbindliche Abmachung – im Englischen «compact» genannt – in Deutschland als «Pakt» bzw. «Vertrag» tituliert und ungerechtfertigt aufgewertet? Schon wieder sehen wir hier die Strategie des «Fake Law» – des Pseudo-Rechts, das angewendet wird, um den Menschen irgendwie zu suggerieren, dass der «compact» eigentlich ein «Pakt», also ein völkerrechtlicher Vertrag sei. So kann es geschehen, dass ein Staat, weil er angeblich Auflagen internationaler Organisationen nicht einhält, dem Druck mächtigerer Staaten sowie seiner eigenen oder internationaler Medien ausgesetzt wird. 

Was bedeutet das für einen Staat, der hier seine Unterschrift leistet?

Als Folge der Unterzeichnung des «Global Compacts» könnte die Verantwortung des Staates gegenüber der eigenen Bevölkerung und der Schutz ihrer Menschenrechte kompromittiert werden. Zudem wäre dieser Teilverzicht auf die eigene Souveränität undemokratisch und contra bonos mores, also gegen die guten Sitten. Die Anwendung bestimmter Teile des Paktes könnten auf Kosten anderer Menschenrechte gehen und in Konflikt mit dem Uno-Pakt über bürgerliche und politische Rechte geraten – nämlich mit den Artikeln 1, 17, 19, 21 und 25, ferner mit dem Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, vor allem Art. 6–7 (Recht auf Arbeit und Arbeitsbedingungen), Art. 9 (Recht auf soziale Sicherheit), Art. 10 (Familie), Art. 11 (Ernährung), Art. 12 (Gesundheitswesen), Art. 13 (Bildung), Art. 15 (Kultur). Der Migrationspakt ist auch nicht kompatibel mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, denn gewiss wollen die meisten Menschen ihre Kultur und Identität bewahren. Eine vermehrte Migration könnte die Eigenart eines Volkes, die Identität der Kommunen, die Selbstbestimmung der ganzen Bevölkerung in Frage stellen18.

Warum ist diese Erklärung – kein Pakt – so unsorgfältig ausgearbeitet worden?

Vor der Unterzeichnung dieses unausgegorenen Machwerkes hätten in allen Staaten viel mehr offene Debatten, Volksbefragungen und Referenden durchgeführt werden müssen. Staaten, die diese Diskussion gemieden haben, handeln undemokratisch. So praktizierten z. B. viele europäische Regierungen und die Medien, was ich als Demophobie bezeichnen möchte – also Angst vor der eigenen Bevölkerung. Ist das kompatibel, mit den sog. «European Values», worüber Brüssel immer wieder redet?

Ich möchte nochmals auf die Situation in Belarus zu sprechen kommen. Lukaschenko steht schwer in der Kritik des Westens, ist das gerechtfertigt?

Man muss wieder auf Ursachen und Folgen schauen. Egal ob wir ihn mögen oder nicht, ist er der derzeitige Präsident von Belarus. Die Nato will Lukaschenko das Leben erschweren und verstärkt die Sanktionen gegen Belarus. Dies hat aber als Konsequenz, dass Belarus nicht in der Lage ist, sich mit der Migrantenkrise zu beschäftigen, denn Belarus ist von aussen bedrängt und natürlich kann die von der Nato selbst verursachte Migrantenkrise nicht die erste Priorität in Belarus darstellen. Im Grunde sind die USA und Nato doppelt mitverantwortlich für die Krise. Erstens hat die Nato Afghanistan, Irak und Syrien illegal angegriffen und diese Länder vernichtet. Dies hat dann Chaos und Arbeitslosigkeit verursacht – und somit eine Migrantenwelle ausgelöst. Dann machen sie es schwierig für Länder im Osten, diese Krise zu bewältigen, dadurch dass sie Sanktionen gegen sie beschliessen. Anstatt ihnen zu helfen, kreieren sie zusätzliche Hindernisse.

Oft werden Lukaschenko und Putin in einem Atemzug genannt. Ist das berechtigt, spielt hier Putin eine Rolle, und zwar, wie behauptet wird, zur Destabilisierung der EU?

Putin beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Er ist nicht involviert, muss aber darauf achten, dass die Sache nicht ausartet. Der Westen sucht immer seine Sündenböcke. Beweise hat er nicht erbracht. Die Konspirationstheoretiker sind schlicht Propagandisten.

Wir erleben in den letzten Jahren eine Verschärfung des Konflikts zwischen dem «Westen» und dem «Osten» wie Russland, Belarus, China und weiteren mit ihnen verbündeten Staaten. Wie sehen Sie das und wo orten Sie die Ursachen dafür?

Der Osten provoziert nicht. Russ­land und China werden vom Westen immer wieder bedrängt. Bisher haben sich Putin und Xi geduldig verhalten. Aber wie lange noch? Putin hat lange Angebote zur Zusammenarbeit an die EU gerichtet und wurde immer zurückgewiesen. Jetzt ihn als unkooperativ und unberechenbar darzustellen ist Propaganda.

Die EU hat erneut die Sanktionen gegen Belarus verstärkt. Wie ist das völkerrechtlich zu beurteilen?

Wie die Uno-Generalversammlung und der Uno-Menschenrechtsrat etliche Male festgestellt haben (gegen die Stimmen einer Minderheit der Staaten u. a. USA und der EU) sind unilaterale Sanktionen völkerrechtswidrig – zusätzlich haben sie sehr negative Konsequenzen für die Bevölkerung. Sanktionen töten – genauso wie Kriege. Der Internationale Strafgerichtshof sollte sie als Verbrechen gegen die Menschheit verurteilen.

Was wäre, in wenigen Worten gesagt, eine langfristige Lösung?

Die Uno muss für den Wiederaufbau Afghanistans, Iraks, Syriens und Libyens sorgen. Jene Staaten, die widerrechtlich die Herkunftsländer der Migranten zerstört haben, müssen die Rechnung bezahlen. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge und die Internationale Organisation für Migration sollen gemeinsam die ordentliche Repatriierung der Migranten organisieren und durchführen. Migranten sind keine Flüchtlinge, und man soll aufhören, die von der Nato verursachte Migrationsbewegung zu legitimieren, dadurch dass man diese armen Menschen in fremde Länder treibt und sich auf die Flüchtlingskonvention beruft, die hier keine Anwendung findet. Wenn es so weitergeht, riskiert man, dass viele Staaten die Flüchtlingskonvention kündigen.

Herr Professor de Zayas, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser

¹ Völkerrecht – Ein Lehrbuch. 2., neubearbeitete Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2004 Allgemeine Staatslehre – Eine systematische Darstellung. 3., neubearb. Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2004
² North Holland Publishers, Amsterdam, 1992, Bd.1, S. 107–109.
³ Souveränität. Duncker und Humblot, Berlin 2015.
www.welt.de/politik/deutschland/article170833134/Rechtswissenschaftler-kritisiert-Fluechtlingspolitik-als-Irrweg.html
⁵ Staat – Souveränität – Verfassung. Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag. Berlin 2000
⁶ Dieter Blumenwitz (Hrsg.): Recht auf die Heimat im zusammenwachsenden Europa. Ein Grundrecht für nationale Minderheiten und Volksgruppen (Schriftenreihe des West-Ost-Kulturwerkes e.V., Bonn), Frankfurt am Main 1995.
⁷ Felix Ermacora: Grundriss einer allgemeinen Staatslehre. Duncker und Humblot, Berlin 1979
⁸ Otto Kimminich: Die Entwicklung des Internationalen Flüchtlingsrecht, Archiv des Völkerrechts 20, Bd. 4, Internationales Flüchtlingsrecht/international refugee Law (1982), pp. 369–410.
⁹ Gilbert H. Gornig/Dietrich Murswiek (Hrsg.): Das Recht auf die Heimat. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht. Duncker & Humblot, Berlin 2006,
10 Gilbert Gornig/Detlef Horn (Hrsg): Migration, Asyl, Flüchtlinge, und Fremdenrecht, DVBl vol. 133, Issue 8.
11 Hans-Jürgen Papier: Warnung – Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Heyne Verlag, München 2019.
12 www.euronews.com/2020/02/13/spain-wins-european-court-appeal-over-rapid-migrant-deportations-from-ceuta-and-melilla
13 Die herkömmliche deutsche Übersetzung von «Universal Declaration of Human Rights», «Déclaration universelle des droits de l’homme», »Declaración universal de los derechos humanos» ist falsch. «Allgemein» bedeutet »general» bzw. «nicht-spezifisch» oder gar gemein. «Allgemein» stellt also eine Abwertung des Begriffes «universal» dar, das notwendigerweise universal bzw. global bedeutet. Andere juristische Termini werden auf deutsch falsch übersetzt. So z. B. «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» (crime against humanity). Dabei geht es keinesfalls um die «Menschlichkeit», «Höflichkeit» oder «Barmherzigkeit», es geht um die Menschheit als Ganzes, um Menschen in allen Ländern der Welt. Es geht um Verbrechen erga omnes. bzw. gegen die gesamte menschliche Gesellschaft, gegen die Zivilisation. Zuweilen aber wird in Deutschland bei den Übersetzungen auch politisch aufgewertet. So mit dem sog. «Migrationspakt». Auf Englisch heisst es «Global Compact for migration». Jedoch kann «compact» nicht als »Pakt» bzw. völkerrechtlicher Vertrag übersetzt werden. Bei den sog. «Compact» geht es lediglich um eine Zusammensetzung von nicht verbindlichen Prinzipien. Dieser »Compact» ist kein Pakt, sondern nicht mehr als eine Erklärung.
14 Die Konvention kann gemäss Art. 44 gekündigt, gemäss Art. 45 revidiert werden. Das Protokoll kann gemäss Art. IX gekündigt werden. Australien überlegt die Kündigung. «Withdrawal from the Refugee Convention would however enable Australia to develop and regularise, on its own terms, more transparent and understandable criteria and provisions for dealing with on-shore asylum seekers.»
www.aph.gov.au/About_Parliament/Parliamentary_Departments/Parliamentary_Library/pubs/rp/rp0001/01RP05
15 Wiener Vertragsrechtskonvention, Art. 62.
16 Jakob Möller/Alfred de Zayas: The United Nations Human Rights Committee Case Law, N.P.Engel. Strasbourg 2009, Seiten 181–185.
17 hrlibrary.umn.edu/undocs/session39/195-1985.html, para 5.5
18 A. de Zayas (2014): Bericht an die UNO-Generalversammlung über die Theorie und Praxis des Selbstbestimmungsrechtes der Völker. undocs.org/A/69/272 siehe auch de Zayas: Heimatrecht ist Menschenrecht. Universitas, München 2001.

Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) stützt Selbstbestimmungsrecht des sahraouischen Volkes 

Die Westsahara, seit 1975 völkerrechtswidrig von Marokko besetzt, sollte gemäss Plänen der Europäische Union (EU) und Marokkos illegalerweise wirtschaftlichen Interessen zugänglich gemacht werden. Dagegen klagte die Frente Polisario¹ als Vertreterin des sahraouischen Volkes² beim EuGH, da EU und Marokko verschiedene Abkommen auf die Westsahara angewandt hatten. Am 28. September 2021 hat der EuGH stringent nach völkerrechtlichen Grundlagen urteilend die Klagen der Frente Polisario gutgeheissen.

Die Frente Polisario klagte zum einen dagegen, dass der EU-Rat die Zollpräferenzen für die Einfuhr von marokkanischen Produkten nach Europa unter dem Sammelbegriff «Ursprungserzeugnisse» auch auf Erzeugnisse ausgedehnt hatte, die in der besetzten Westsahara produziert worden waren³.

Zum anderen klagte die Frente Polisario gegen die Fischereiabkommen⁴ zwischen der EU und Marokko, die diesen die Ausbeutung der fischreichen Gewässer an der Atlantikküste der Westsahara zuhielten. Im März 2021 wurden die Parteien⁵ vom EuGH angehört, und am 29. September 2021 wurden die Klagen der Frente Polisario in einem einzigen Urteil⁶ zusammengefasst entschieden.

Zum Urteil des EuGH

1. Der beklagte EU-Rat und seine Unterstützer argumentierten, die Frente Polisario habe keine rechtliche Legitimation, um für das Sahraouische Volk vor dem EuGH gegen den EU-Rat Klage zu führen. Dieses Argument widerlegte der EuGH wie folgt: «Der EuGH stellt fest, dass die Klägerin als Vertreterin des Volkes der Westsahara international anerkannt ist, auch wenn sich diese Anerkennung auf den Prozess der Selbstbestimmung in diesem Gebiet beschränkt. Zudem zeigt ihre Beteiligung an diesem Prozess, dass sie die notwendige Autonomie und Kompetenz besitzt, in diesem Rahmen zu handeln […] Der Gerichtshof stellt demzufolge fest, dass die Klägerin eine juristische Person ist im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV.»⁷ Damit weist der EuGH das Argument des EU-Rates und seiner Unterstützer ab.

2. Der EuGH stellte weiter fest, dass das Volk der Westsahara, wenn sein Territorium von den strittigen Abkommen zwischen der EU und Marokko direkt betroffen ist, als Drittpartei⁸ solcher Abkommen betrachtet werden muss, deren Zustimmung für solche Abkommen eingeholt werden muss. Der EuGH hält fest, dass «gemäss dem Grundsatz der Selbstbestimmung und der relativen Wirkung von Verträgen klare, präzise und unbedingte Verpflichtungen gegenüber der Westsahara» gelten, «insbesondere muss sowohl ihr gesonderter und eigenständiger Status respektiert werden sowie auch die Zustimmung des Volkes im Falle einer Anwendung der Assoziierungsabkommens auf das Territorium Westsahara sichergestellt werden.»

3. Der EuGH stellte zudem fest, dass die «Konsultationen», die der EU-Rat mit dem «betroffenen Volk» zu den strittigen Verträgen durchgeführt hatte, ungültig sind. Sie stehen im Widerspruch zur völkerrechtlichen Definition von «Volk» und «Zustimmung». Damit existiert auch keine Zustimmung des Volkes der Westsahara zu den strittigen Verträgen.

Damit hat der EuGH dem Völkerrecht folgend geurteilt. Gegen dieses Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.

Beunruhigend ist das Vorgehen der EU bei der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen. Statt das Völkerrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu achten, wird gegenüber dem sahraouischen Volk und der besetzten Westsahara in Raubrittermanier vorgegangen. Hier wird deutlich, mit wem man es bei der EU zu tun hat. Bei künftigen Diskussionen über Verträge mit der EU müsste für unsere Parlamentarier diese Problematik im Vordergrund stehen nach dem Motto «Trau, schau wem …»

¹ Frente Popular por la Liberación de Saguia Hamra y Rio de Oro. Die Frente Polisario ist von der Uno als Vertreterin des Sahraouischen Volkes anerkannt.
² Die Sahraouis leben in der von Marokko besetzten Westsahara, den Flüchtlingslagern in der algerischen Sahara bei Tindouf oder in der Diaspora. 
³ Rechtssache T-279/19, eingereicht am 27. April 2019 Es handelt sich um das ‚Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko’, dessen Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 am 28. Januar 2019 per EU-Ratsbeschluss (Beschluss (EU) 2019/217) geändert und auf die Westsahara ausgedehnt worden waren.

⁴ Rechtssache T-344/19, eingereicht am 10. Juni 2019, Rechtssache T-356/19, eingereicht am 12. Juni 2019, wurden vom EuGH zusammengeführt
⁵ Der beklagte EU-Rat wird unterstützt durch die Französische Republik, die Europäische Kommission und die Confédération marocaine de l’agriculture et du dévelopement rural (Comader) mit Sitz in Rabat, Marokko.
⁶ CURIA – Dokumente, Arrêt du Tribunal (neuvième chambre élargie) 29 septembre 2021, Wortlaut des Urteils im Kästchen
⁷ General Court of the European Union, PRESS RELEASE No 166/21, Luxembourg 29 September 2021
⁸ Weil die besetzte Westsahara einen von Marokko gesonderten und unterschiedlichen Status hat, gilt sie dem EuGH völkerrechtlich als Drittpartei.

 

Medien-Erklärung

Westsahara – Das Versagen der UNO und die mögliche Rolle der Schweiz

Forumsveranstaltung im Käfigturm Bern, 10.11.2021

«Die UNO versagt in der Westsahara: Sie hat es bisher verpasst, das völkerrechtlich verankerte Recht der Sahraouis auf Selbstbestimmung durchzusetzen.» Dies sagt Francesco Bastagli, ehemals Sonderbeauftragter des UNO-Generalsekretärs für die Westsahara, an einer Veranstaltung im Berner Käfigturm. Die Vetomächte des UNO-Sicherheitsrats würden die Interessen Marokkos schützen. Als Besatzungsmacht seit 1975 beutet das Königreich Marokko die Ressourcen – Fischgründe, Phosphatgestein – der ehemaligen spanischen Kolonie aus und unterdrückt die dort lebenden Sahraouis systematisch. Bastagli lädt die Schweiz ein, ihre guten Dienste als neutrale und ehrliche Vermittlerin für die Einhaltung des internationalen Rechts und damit für das Selbstbestimmungsrecht der sahraouischen Bevölkerung einzusetzen.

Der Menschenrechtsexperte Gianfranco Fattorini, ständiger Vertreter der Vereinigung der amerikanischen Jurist:innen bei der UNO in Genf, ruft die Schweiz zum Dialog mit beiden Konfliktparteien auf. Die Schweiz soll sich für die Schaffung eines Sonderberichterstatters des Menschenrechtsrats für die Westsahara einsetzen.

Nationalrat Fabian Molina (SP) kritisiert die Aussenpolitik des Bundesrats, welche die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz über internationales Recht und Menschenrechte stellt. Er fordert die Zivilgesellschaft in der Schweiz auf, mit dem nötigen Druck – auch im Vorfeld der nationalen Wahlen 2023 – eine radikale Änderung der Aussenpolitik zu erwirken.

Sylvia Valentin (terre des hommes schweiz und WSRW) fordert die Wirtschaft auf, sich nicht an der völkerrechtswidrigen Ausbeutung von natürlichen Ressourcen der Westsahara zu beteiligen.

Die von Judith Huber von Radio SRF moderierte Diskussion wurde vom SUKS / Schweizerisches Unterstützungskomitee für die Sahraouis zusammen mit der Parlamentarischen Gruppe Westsahara (Christine Badertscher / Fabian Molina) organisiert.

Vorgängig zur Forumsdiskussion fand auf dem Bahnhofplatz in Bern eine Mahnwache statt. Die Protestierenden verlangten die Freilassung der 21 Sahraouis, die seit 11 Jahren unter schwersten Bedingungen in marokkanischen Gefängnissen inhaftiert sind, ohne jegliche rechtsgültige Beweise.

Bern, 12. November 2021
Schweizerisches Unterstützungskomitee für die Sahraouis
Postfach | 3001 Bern | www.suks.ch

Kontakt:
Elisabeth Bäschlin, Präsidentin SUKS
Tel. 031 351 36 65, 
baesch@giub.unibe.ch

Die Referate von Francesco Bastagli und Gianfranco Fattorini können unter https://suks.ch/blog/ aufgerufen werden.

 

 

DER GERICHTSHOF (EuGH)

(Neunte erweiterte Kammer)

erklärt und urteilt:

Der Beschluss (EU) 2019/217 des Rates vom 28. Januar 2019 über den Abschluss des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko über die Änderung der Protokolle.

Die Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 zum Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits werden für nichtig erklärt. […]

Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Frente Popular por la Liberación de Saguia Hamra y del Rio de Oro (Polisario Front).

Die Französische Republik, die Europäische Kommission und die Confédération marocaine de l'agriculture et du développement rural (Comader) tragen ihre eigenen Kosten.

Costeira Gratsias Kancheva
Verkündet in der öffentlichen Sitzung in Luxemburg am 29. September 2021
Der Schriftführer E. Coulon
Der Präsident: S. Papasavvas

Die Ökonomie muss der Medizin dienen und nicht umgekehrt

von Susanne Lienhard

In den letzten zwei Jahren sind grundlegende Missstände im Gesundheitswesen für alle sichtbar geworden. Um Wege aus der derzeitigen Krise zu finden, ist eine genaue Analyse der Situation und deren Ursachen unabdingbar. Es braucht aber auch ein vertieftes Nachdenken darüber, was eine humane Medizin, die ihren Namen verdient, ausmacht. Im Folgenden werden zwei Bücher vorgestellt, die dazu einen wertvollen Beitrag leisten.  

Kürzlich hat ein Medizinstudent Folgendes berichtet: «Bei der Vorzeigeuntersuchung müssen wir Medizinstudenten dem Patienten als erstes sagen, wie lange wir Zeit für ihn haben. Wer den strengen Satz «Ich habe heute für Sie acht Minuten» nicht über die Lippen bringt, kriegt an der Prüfung Punkteabzug. Das sei, erklärte man uns, weil man später in der Klinik pro Patient auch nur 15 Minuten Gesprächszeit abrechnen dürfe – und daher jetzt schon üben müsse, möglichst schnell zu sein. Das war das erste Mal, dass ich an der Wahl meines Studiums zu zweifeln begann. Ich finde es unethisch, Kranke unabhängig von der Art ihres Leidens im 15-Minuten-Takt abzufertigen, ohne auf die Einzelschicksale und allfällige Fragen eingehen zu können.»¹

Was dieser angehende Arzt beschreibt, bestätigen auch zahlreiche Pflegende, die im Vorfeld der Abstimmung über die Pflegeinitiative in den Medien zu Wort kommen. Sie leiden darunter, keine Zeit zu haben, sich den Patienten über die notwendigen Pflegeverrichtungen hinaus zuwenden zu können. Der Tagesablauf ist derart getaktet, dass kaum Zeit bleibt, einem Patienten geduldig zuzuhören, auf seine Fragen einzugehen oder einfach nur ungezwungen mit ihm zu plaudern. Wenn man weiss,  dass die menschliche Anteilnahme von grosser Bedeutung für den Heilungsprozess ist, frustriert es, unter Bedingungen arbeiten zu müssen, die dafür keinen Raum lassen. Viele versuchen den widrigen Bedingungen zum Trotz ihrem Ideal einer humanen Medizin im Dienste des hilfsbedürftigen Menschen treu zu bleiben, drohen aber an diesem Kraftakt selber krank zu werden und geben den Beruf auf. Wo liegen die Ursachen für diese Missstände?

Politisch gesteuerte Umstrukturierung des Gesundheitswesens

Der Arzt und Philosoph Giovanni Maio² beschreibt in seinem Buch «Geschäftsmodell Gesundheit – Wie der Markt die Heilkunst abschafft»³ den schleichenden Prozess der Ökonomisierung in der Medizin, die es den Ärzten und Pflegenden zunehmend erschwert, sich als Mensch dem leidenden Menschen zuzuwenden. Seit den 90er Jahren ist das Gesundheitswesen einer politisch gesteuerten Umstrukturierung unterworfen. Zentral in diesem Prozess ist die Einführung der sogenannten Fallpauschale, die für jeden Eingriff einen fixen Betrag festlegt: «Mit der Fallpauschale ist im Vorhinein klar, wieviel das Krankenhaus für den Patienten erhält, und es obliegt dem Krankenhaus, die Behandlung so zu gestalten, dass es mit dem Geld auskommt. Auf diese Weise sind die Krankenhäuser einer betriebswirtschaftlichen Effizienz- und Wettbewerbslogik unterworfen.» (S. 17) Trugen bis anhin die Krankenkassen, die Politik und die öffentliche Hand das Finanzierungsrisiko eines Spitals, wird es nun vollständig auf das Krankenhaus abgewälzt, und dessen jeweilige Leitung gibt die Verantwortung an die Heilberufe weiter. Einsparungen, schnelle Durchschleusung von Patienten, Beschränkung auf das Formale werden zunehmend zum leitenden Paradigma, da die Existenz der Spitäler alleine von ihrer Wirtschaftlichkeit abhängt. Giovanni Maio legt überzeugend dar, dass ein Spital anders funktioniert, als ein Industriekonzern, da es nicht um die Produktion von Gegenständen geht, sondern um die Behandlung von Menschen. Er fordert «ein System, das dem ganzen Menschen in seinem Kranksein gerecht wird, das ihn in den Mittelpunkt stellt, nicht die mit ihm zu erwirtschaftenden Erlöse.» (S. 147) 

Wege zu einer Medizin der Zuwendung

Giovanni Maio bleibt nicht bei der Analyse stehen. Er lädt zu einem grundsätzlichen Nachdenken über das Eigentliche der Medizin ein, um davon ausgehend «nach neuen Wegen zu suchen, die ökonomische Überformung zu durchbrechen und der Medizin das zurückzugeben, was von Seiten des Patienten von ihr erwartet wird: nämlich vor allen Dingen die Ermöglichung der Sorge um den kranken, hilfsbedürftigen Menschen, für die der vielerorts praktizierte ‹Kundendienst› ein schlechter Ersatz ist.» (S. 14) Er plädiert für eine Aufwertung der Beziehungsmedizin. Das gegenwärtige System fördert ein rational-distanziertes Handeln nach Regeln und Standards, die Kerntätigkeit des Arztes und auch der Pflegenden ist jedoch nicht vollständig formalisierbar, da es bei jedem Patienten darum geht, ihn in seiner je individuellen Situation zu verstehen und zu erfassen. Maio fordert deshalb Rahmenbedingungen, die Raum schaffen für eine zwischenmenschliche Beziehung zwischen Arzt und Patient: «Ernsthaft kranke Menschen benötigen Sachkenntnis und Evidenz. Aber das reicht nicht. Wenn es um chronische Krankheiten geht, brauchen diese Patienten Begleiter, die verstanden haben, was die Krankheit für sie, für ihr Leben bedeutet. Sie bedürfen eines Arztes, der nicht einfach verordnet, sondern der versteht und verstehend eine Beziehung eingeht. Nur aus dieser Beziehung heraus wird der Arzt erspüren, was er tun kann, um dem Patienten zu helfen, selbst zu seiner Gesundung beizutragen. [… ]Er braucht einen Arzt, der erspüren kann, wie er die Ressourcen des Patienten mobilisieren kann, wie er ihn sozusagen selbständiger machen kann.» (S. 150) 

Nötig sind also Rahmenbedingungen, die es Ärzten und Pflegenden erlauben, den Patienten Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihnen Wertschätzung zu geben: «Zwischenmenschlichkeit kann man nicht verordnen, und man kann sie nicht im Managementsystem abhaken. So kann man auch die Menschlichkeit, auf die jeder kranke Mensch angewiesen ist, nicht einfach strategisch einbauen, man kann sie nicht einfach «machen», sondern sie muss sich einstellen, in jeder Situation neu. Damit dies aber geschehen kann, müssen die Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit stimmen. Die Strukturen müssen der Menschlichkeit Raum geben, damit sie gedeihen kann.» (S. 161)

In seinem letztes Jahr in dritter und vollständig überarbeiteter Auflage erschienenen Werk «Den kranken Menschen verstehen. Für eine Medizin der Zuwendung»⁴  zeigt Giovanni Maio an konkreten Beispielen auf, was es bräuchte für eine humane Medizin, die den ganzen Menschen ins Auge fasst.  Beide Bücher ergänzen sich ausgezeichnet und legen eine Grundlage, um Wege zu finden, die Ökonomie wieder in den Dienst der Medizin zu stellen, so dass sich Ärzte und Pflegende wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können: sich der mitmenschlichen Hilfe für die ihnen anvertrauten und hilfesuchenden Patienten zu verschreiben. 

¹ Simon Maurer: Hippokrates auf dem Sterbebett? in: Thurgauer Zeitung vom 06.10.21
² Prof. Dr. Giovanni Maio verfügt über eine langjährige internistisch-klinische Erfahrung und hat den Lehrstuhl für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne. Er ist Direktionsmitglied des Interdisziplinären Ethik-Zentrums Freiburg. Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin. Mitglied des Ausschusses für ethische und juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer.
³ Giovanni Maio: Geschäftsmodell Gesundheit. Wie der Markt die Heilkunst abschafft. Berlin 3, 2018. ISBN 978-3-518-46514-1
⁴ Giovanni Maio: Den Kranken Menschen verstehen. Für eine Medizin der Zuwendung. Freiburg i.Br. 3, 2020. ISBN 978-3-451-60101-9.

 

Gute Medizin zwischen einer Kunst des Machens und einer Kunst des Verstehens

Es geht «in der Medizin nicht um das Umsetzen eines vorgegebenen Produktionsprozesses, sondern um das immer neue Erfassen der konkreten Situation eines kranken Menschen, die stets eine singuläre Entscheidung verlangt. Eine solche Entscheidung ist im gelungensten Fall das Resultat eines Zusammenführens von extern überzeugendem Sachwissen und einer internen Evidenz, die sich aus der Erfahrung des Arztes und der konkreten Lage und Person des Patienten ergibt. Dies ist die eigentliche Könnerschaft ärztlicher Behandlung, dieser synthetische und unweigerlich kreative Prozess, der nicht restlos vorgegeben werden kann, sondern der stets in der Unmittelbarkeit zu leisten ist. Für diesen Moment braucht man Erfahrung, Geduld und Gesprächsbereitschaft – alles Werte, die heute abgebaut werden und die doch neu aufgewertet werden müssen. Je mehr man diese Werte ignoriert und die Medizin als einen reinen Produktionsprozess betrachtet, desto mehr werden der Aktionismus befördert, das Machen belohnt, das Zuhören bestraft, die Interventionszeit berechnet, die Beratungszeit übersehen, die Steigerung des Durchlaufs zum Wert erhoben und die Behutsamkeit und Sorgfalt als etwas angesehen, was den Betrieb aufhält.» 

Giovanni Maio: Den kranken Menschen verstehen. Für eine Medizin der Zuwendung. S. 26

 

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