«Für die USA ist Venezuela ein massiver Störfaktor, weil es dem Neoliberalismus kritisch gegenübersteht»

Interview mit alt Botschafter Walter Suter

Alt Botschafter Walter Suter (Bild thk)
Alt Botschafter Walter Suter (Bild thk)

Zeitgeschehen im Fokus Die wirtschaftliche Lage in Venezuela ist angespannt.
Wie ist das Land in diese prekäre Situation geraten?

Alt Botschafter Walter Suter Die Hauptursache sind die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen, die von den USA gegen Venezuela verhängt worden sind. Es handelt sich um einseitige Zwangsmassnahmen, die auf keinem Uno-Mandat basieren und daher völkerrechtswidrig sind. Das Ganze beruht auf einem US-Gesetz vom Dezember 2014 und dem unter Barack Obama im März 2015 erlassenen Dekret, das Venezuela als ausserordentliche Bedrohung für die Sicherheit der USA definiert. Seit März 2015 haben die USA sechs Dekrete erlassen, die eine de facto Blockade Venezuelas bewirken und dem Land massive Verluste und Einkommenseinbussen in dutzendfacher Milliardenhöhe beschert haben.

Wie sind die USA vorgegangen?

Nach dem massiven Einbruch des Erdölpreises zwischen 2014 und 2015 gingen die Erlöse aus dieser Devisen-Haupteinnahmequelle (96 Prozent) binnen eineinhalb Jahren um zwei Drittel zurück. Das bewirkte eine grosse wirtschaftliche und finanzielle Schwächung für das Land. Es führte zu finanziellen Einbussen, die der Staat nicht so leicht ausgleichen konnte. Auch Investitionen in den Unterhalt waren nicht mehr möglich. Diese Situation haben die USA ausgenutzt. Sie haben das Land und damit die angeschlagene Wirtschaft mit Sanktionen belegt und versuchten so, die Krise zu verstärken. Sie verfolgten das Ziel, die Versorgungslage des Landes vor allem mit der Blockade lebenswichtiger Güter so zu verschlechtern, dass sich die Bevölkerung gegen die Regierung stellt. Seit Hugo Chávez 1999 gewählt worden ist, wollen die USA die linke Regierung loswerden.

Was ist der Hintergrund dieser Politik?

Für die USA soll es in ihrem lateinamerikanischen «Hinterhof» (Monroe-Doktrin 1823) keinen Staat mit einer Regierung geben, die dem Neoliberalismus kritisch gegenübersteht. Diese muss verschwinden, denn sie dient als schlechtes Beispiel für die übrigen Staaten auf dem amerikanischen Kontinent, wenn sich ein alternatives Wirtschaftssystem zum Neoliberalismus etabliert. Venezuela ist der einzige Staat, der konkret gegen den Neoliberalismus vorgeht. Für die USA, das Ursprungsland des Neoliberalismus, ist Venezuela ein massiver Störfaktor, der zum Verschwinden gebracht werden muss. Alles, was bisher konkret gegen den Staat unternommen wurde, gehört in diesen Plan. Venezuela hat inzwischen selbst Strategien entwickelt, wie es mit der Situation fertigwerden kann. Zur Unterstützung gehören auch Staaten wie Russland und China, die hier in die Bresche gesprungen sind. Eine weitere Unterstützung bietet die Uno. Nur 50 von 193 Staaten haben Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt.

Welche Staaten haben ihn anerkannt?

Neben den USA haben viele Europäer und die rechtsgerichteten Regierungen in Lateinamerika Guaidó anerkannt. Aber drei Viertel der Uno-Staaten haben das nicht getan.

In einer SDA-Meldung war zu lesen, dass Venezuela die Hilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) abgelehnt habe. War das so?

Nein, das Gegenteil ist wahr. Die Regierung in Venezuela unter Nicolás Maduro hat bereits am 12. Januar 2019, also Tage bevor es am 23. Januar zur Selbsternennung von Juan Guaidó gekommen ist, mit dem IKRK und der Uno Kontakt aufgenommen und signalisiert, dass die venezolanische Regierung an Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen interessiert sei. Auch bat sie darum, diese Lieferungen zu koordinieren, damit diese nicht an politische Bedingungen geknüpft seien. Die Regierung selbst ist also nicht einfach tatenlos dagesessen, wie es in den Medien dargestellt wurde, sondern hat aktiv versucht, das Los der Menschen zu verbessern.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit dem IKRK weiterentwickelt?

Der Präsident des IKRK, Peter Maurer, ist nach Caracas gereist und mit dem venezolanischen Präsidenten zusammengesessen. Sie haben festgelegt, dass über Uno-Organisationen oder andere Rotkreuz-Organisationen Lebensmittel- oder Medikamentenlieferungen vom IKRK koordiniert werden. Venezuela besteht aber darauf, dass die Lieferungen an keine politischen Forderungen gebunden sind. Es können auch Uno-Organisationen Material liefern. Bei den Lieferungen an der Grenze zu Venezuela in Cúcuta hatten die USA versucht, das IKRK auf ihre Seite zu ziehen, was dieses jedoch abgelehnt hat, mit der Begründung, sich nicht an Projekten zu beteiligen, die an politische Bedingungen geknüpft seien. Hier ist noch ein Punkt wichtig: Die Lieferungen werden durch die Regierung bezahlt. Das sind keine Donationen. Die Aufgabe des IKRK ist, dafür zu sorgen, dass die Lieferungen verschiedener Organisationen auch ins Land kommen. Das IKRK koordiniert die Logistik bis an die Grenze.

Wenn die Lebensmittel ins Land kommen, werden sie dann weitergeleitet?

Wenn die Waren in den Häfen ankommen, übernimmt zunächst die Armee die Grobverteilung im Landesinneren an die Gemeinden. Die consejos comunales (Kommunalräte) in den einzelnen Gemeinden sind organisiert und übernehmen die Waren. Von dort aus gibt es die Feinverteilung, denn man kennt die Menschen. Es gibt Listen, darauf stehen die Namen derjenigen, die auf diese Lebensmittelhilfe angewiesen sind. Es ist also nicht so, dass die Menschen hungern müssen. Es werden ihnen Lebensmittel verteilt. Dieses Verteilnetz funktioniert auch, wenn jetzt weitere Lebensmittellieferungen ins Land kommen.

Die gegenwärtige interne Verteilung ist schon lange organisiert. Die Bedürftigen bekommen ein- oder zweimal im Monat die sogenannten CLAP-Pakete, welche Grundnahrungsmittel zu stark subventionierten Preisen enthalten. 6 Millionen Familien haben darauf Anspruch.

Bekommt Venezuela auch Lieferungen aus anderen Ländern?

Vor einigen Wochen haben Russland, Indien, China und die Türkei mehrere hundert Tonnen an Nahrungsmitteln und Medikamenten geliefert. Es gibt auch Lieferungen von anderen Ländern, die von Venezuela akzeptiert werden, wenn die Länder keine politischen Bedingungen stellen. Dazu kommen noch die Grundnahrungsmittel, die über Mexiko ins Land kommen. Die Regierung Venezuelas musste aufgrund der Blockade Wege suchen, um die Bevölkerung mit dem Notwendigsten zu versorgen. Zumal die meisten Staaten und Unternehmen sich an das US-Sanktions-Regime halten, das ihre eigenen Interessen in den USA bedroht. Venezuela hat grösste Probleme auf den internationalen Märkten Handel zu treiben, da das Zahlungssystem weitgehend von den USA kontrolliert wird und so kaum Geld transferiert werden kann. Venezuela muss hier neue Wege suchen.

Herr alt Botschafter Suter, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser, Bern

Die US-Sanktionen haben 2017 und 2018 40 000 Menschen in Venezuela das Leben gekostet 

Pressemitteilung Alba Suiza vom 29. April 2019 

Sehr geehrte Damen und Herren der Medien,

Wir sind überzeugt, dass es den Journalisten und Journalistinnen in der Schweiz ein Anliegen ist, ihrer Leserschaft objektive und qualitativ gute Informationen zur Situation in der Bolivarischen Republik Venezuela zu liefern. Generell hat in den helvetischen Medien die «Version der Geschichte» Vorrang, die von der Rechten und der extremen Rechten Venezuelas und der USA vertreten wird. Diese von Ihnen getroffene redaktionelle Wahl hat sicherlich ihre Legitimität. Damit sich die Leserinnen und Leser aber ihre eigene Meinung zu den sich in Venezuela gegenüberstehenden Interessen machen können, wäre es nach unserem Dafürhalten jedoch unumgänglich, auch der anderen Seite einen Platz einzuräumen, d. h. der Version der Geschichte derjenigen, die sich für die Einhaltung des Völkerrechts und der Souveränität der Völker und ihrer Staaten einsetzen. Aus diesem Grund erlauben wir uns, Sie auf einen Bericht aufmerksam zu machen, der kürzlich in den USA vom «Center for Economic and Policy Research (CEPR)» veröffentlicht wurde.

Der Bericht mit dem Titel «Economic Sanctions as Collective Punishment: The Case of Venezuela»¹ wurde von zwei namhaften Ökonomen verfasst, Mark Weisbrot, Co-Direktor des CEPR, und Jeffrey Sachs, Direktor des «Center for Sustainable Development» der Universität Columbia und Sonderberater des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres. Gemäss den Autoren haben die von den USA auferlegten Sanktionen die Kalorienzufuhr für die venezolanische Bevölkerung reduziert, die Anzahl Krankheitsfälle und die Sterblichkeit von Erwachsenen und Kindern in die Höhe getrieben und den Exodus von Millionen von Venezolanerinnen und Venezolanern verursacht, die ihr Land aufgrund der verschärften Wirtschaftskrise und der Hyperinflation verlassen mussten. Die Sanktionen haben es dem Land so gut wie unmöglich gemacht, seine Wirtschaft zu stabilisieren und in besonderem Ausmass die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsschichten getroffen. Der Bericht geht von rund 40 000 Venezolanerinnen und Venezolanern aus, die aufgrund der Sanktionen ihr Leben verloren haben. 

Weisbrot und Sachs sind der Ansicht, dass die Sanktionen der Definition der kollektiven Bestrafung einer Zivilbevölkerung gemäss Genfer Konvention und Haager Übereinkommen entsprechen, die von den USA unterzeichnet wurden. Sie sind demzufolge sowohl nach Völkerrecht, also auch, so die Autoren, nach US-amerikanischem Recht illegal. Die Solidaritätsbewegung mit dem venezolanischen Volk prangert diesen Tatbestand seit Jahren an, allerdings mit sehr wenig Medienecho. Unabhängig von unserer politischen Position, unabhängig davon, was wir von einer Regierung halten, ist es kriminell, die Bevölkerung eines Landes in Geiselhaft zu nehmen, so wie das aktuell die USA und ihre Verbündeten tun, die Schweiz miteingeschlossen.

Andere Ökonomen haben die Folgen der Sanktionen auf die ­venezolanische Wirtschaft untersucht, darunter namentlich die ­venezolanische Wirtschaftswissenschaftlerin Pasqualina Curcio, Professorin am Departement der Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften der Universität Simón Bolívar in Caracas. 

Wir danken Ihnen für die Kenntnisnahme.

¹ http://cepr.net/images/stories/reports/venezuela-sanctions-2019-04.pdf

Quelle: www.albasuiza.org/de/2019/04/pressecommunique/

Venezuela: «Eine zwiespältige Rolle haben die Amerikaner bei diesem Aufstandsversuch gespielt»

thk. Am 30. April versuchte der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó zum wiederholten Male, einen Umsturz in Venezuela auszulösen. Mit einem riesigen Propagandaaufwand wollte er der Regierung Maduros ein Ende bereiten, indem er seine Anhänger aufforderte, auf die Strasse zu gehen. Guaidó selbst hatte sich in der Nähe einer Luftwaffenbasis mit einigen Militärs filmen lassen und zum Staatsstreich aufgerufen. Mit dieser Aktion wollte er insinuieren, dass das Militär oder wenigstens grosse Teile davon zu ihm übergelaufen seien. Obwohl am Dienstag (30. April) die Lage im Land zunächst völlig unübersichtlich schien, wussten unsere Medien bereits von schweren Ausschreitungen zu berichten. Bis am Abend hiess es immer noch, der Putsch sei im Gange und es sehe schlecht aus für den Präsidenten Nicolás Maduro. Es wurde sogar behauptet, für ihn stehe ein Flugzeug für seine Flucht bereit. 

Wer sich aus anderen Quellen informieren konnte als aus den Mainstreammedien, vernahm bereits am Dienstagabend, die Lage sei unter der Kontrolle der Regierung Maduro und der Putschversuch einmal mehr gescheitert. Auch schien das Ausmass des Aufstandes kleiner zu sein, als zunächst berichtet wurde.

Am Mittwochmorgen (1. Mai) dann das kleinlaute Dementi in unseren Medien. Der von den USA schon lange angestrebte Regimewechsel ist nicht gelungen und ihre Marionette, Juan Guaidó, mit seinem Plan gescheitert. Vermutlich wollte Guaidó die USA zum militärischen Eingreifen bewegen, indem die Situation so eskaliert, dass die USA eine «humanitäre» Intervention – übrigens keine völkerrechtliche Kategorie – hätten starten können. Was aber interessanterweise in unseren Medien verschwiegen wird, ist, dass für die Mehrheit der politischen Opposition in Venezuela ein gewaltsamer Umsturz keine Option ist. Dieser Plan wird ausserhalb Venezuelas verfolgt. 

Auch wurde in den Mainstreammedien berichtet, innerhalb des Militärs hätte es eine Spaltung gegeben. Tatsächlich handelte es sich nur um eine ganz kleine Schar Soldaten, die sich zusammen mit Juan Guaidó in der Nähe der Luftwaffenbasis zeigten. Der erhoffte Dominoeffekt, dass sich weitere Militärs auf Seite Guaidós schlagen würden, blieb aus.

Der angeblich von den Putschisten aus dem Hausarrest befreite Leopold Lopez, der sich schon in der Vergangenheit als Scharfmacher präsentiert und bereits vermehrt zu Gewalt aufgerufen hatte – weshalb er auch unter Hausarrest stand – flüchtete in die spanische Botschaft. Auch Juan Guaidó, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, scheint untergetaucht zu sein. US-Aussenminister Mike Pompeo drohte erneut mit einem militärischen Eingreifen und erhielt prompt die Reaktion aus Russland, das die USA vor einem kriegerischen Akt warnte. Zurecht verurteilte Sergej Lawrow einen solchen Übergriff als schweren Bruch des Völkerrechts. Auch drohte er Konsequenzen an, sollte die USA in Venezuela militärisch aktiv werden. 

Am zweiten Tag (2. Mai) nach dem Putschversuch schien sich die Lage wohl wieder etwas beruhigt zu haben. Die bürgerliche «Neue Zürcher Zeitung» berichtete am 3. Mai, dass der Putschversuch Guaidós gescheitert sei und «daran dürften seine engen Vertrauten, die Amerikaner mitschuldig sein.» Weiter schrieb der NZZ-Korrespondent «Eine zwiespältige Rolle haben die Amerikaner bei diesem Aufstandsversuch gespielt. Von aussen macht es fast den Anschein, als hätten sie Guaidó überstürzt in ein Abenteuer getrieben, ohne die Rahmenbedingungen wirklich seriös abzuklären.» Ob Guaidó, der inzwischen zum Streik aufgerufen hat, nach dem erneuten Scheitern überhaupt noch eine Chance hat, an die Macht zu gelangen, steht in den Sternen. Die USA, deren erklärtes Ziel ein Regierungswechsel ist, werden sich etwas Neues ausdenken müssen. Bisher ist es nicht gelungen, die Mehrheit der Bevölkerung und das Militär gegen die amtierende Regierung aufzubringen.

Die aktuelle Meldung, dass der russische Präsident Vladimir Putin und der US-Präsident Donald Trump am Freitag in einem anderthalbstündigen Telefongespräch die Lage in Venezuela erörtert haben, lässt hoffen. Auch scheint für nächste Woche ein Gespräch zwischen dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow und seinem US-amerikanischen Amtskollegen Mike Pompeo in Finnland geplant. Thema soll die Lage in Venezuela sein.

«Nato fördert Aufrüstungspolitik und provoziert damit Spannungen»

«Kollektives Sicherheitssystem unter Einbezug Russlands im Rahmen der OSZE als sinnvolle Alternativstruktur»

Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko

Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko (Bild thk)
Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko (Bild thk)

Zeitgeschehen im Fokus Seit 70 Jahren besteht die Nato. Hat das Militärbündnis heute noch eine Berechtigung?

Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko Nein, aber man muss das Ganze auch geschichtlich differenzieren. Betrachten wir die Zeit bis zum Ende des Kalten Kriegs, dann standen sich der Warschauer Pakt und die Nato direkt gegenüber. Es bestand ein gegenseitiges Wettrüsten. Die Welt befand sich z. B. während der Kuba-Krise 1962 am Rande eines Atomkrieges. Mit der Auflösung des Warschauer Pakts war die Blockkonfrontation beendet. Auf der Pariser Konferenz von 1990 gab es Bestrebungen, ein paneuropäisches Sicherheitssystem zu errichten. Es wäre damals an der Zeit gewesen, dass die Nato sich auch aufgelöst hätte und ein neues Sicherheitssystem aufgebaut worden wäre. Die USA haben aber in den 90er Jahren die Entscheidung getroffen, die Nato zu erhalten, auszubauen und nach Osten auszudehnen. Das ist auch geschehen und bildet die Ursache für viele Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben.

Woran denken Sie da im speziellen?

Zum Beispiel an den Ukraine-Konflikt. Er hat damit einen direkten Zusammenhang. Die Selbstdefinition der Nato hat sich geändert. Man hat sich das «Recht» gegeben, «out of area» zu intervenieren, während sich die Nato bis 1999 ganz klar als Verteidigungsbündnis deklariert hat. Und sie dehnt sich immer weiter aus. Der dreissigste Mitgliedstaat, Nord-Mazedonien, ist hinzugekommen. Weitere Staaten werden über Kooperationsstrukturen an die Nato herangeführt, beispielsweise Kolumbien. Die Nato schafft sich sogenannte Vorfeldstrukturen und verschärft dadurch die Spannungen.

Nato-Erweiterung

Bis nach Lateinamerika…

Ja, im Zusammenhang mit Venezuela ist das sicher nicht unbedeutend. Die Nato ist immer bestrebt, eine Legitimation für ihre Existenz zu schaffen. Das grosse Legitimationsnarrativ ist seit 2014 das russische Vorgehen in der Ukraine und auf der Krim. Das Absurde hierbei ist, dass gerade die Nato-Ambitionen in der Ukraine zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Man schafft sich sozusagen selbst die Konflikte, die dann dazu dienen, sich zu legitimieren und die Zustimmung der Bevölkerung dafür zu erhalten.

Die Nato findet sich selbst nicht überflüssig…

Nein, im Gegenteil. Auf dem Nato-Gipfel in Wales im Jahre 2014 ist das ominöse 2-Prozent- Ziel für die Rüstungsausgaben bekräftigt worden, nachdem man es dort auf die Agenda gesetzt hatte. Zwei Prozent hört sich eigentlich harmlos an. Wenn man von 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts spricht, dann sind das ungefähr 20 bis 30 Prozent des Haushalts. Das ist eine enorme Summe. Für das Geld sollen neue Waffen gekauft werden und am liebsten natürlich in den USA.

Was heisst das für Deutschland?

Wir haben aktuell einen Militärhaushalt von 43 Milliarden Euro. Der ist in letzter Zeit sehr angestiegen. Bei einem Budget von über 300 Milliarden ist das schon sehr hoch. Mit den zwei Prozent wären wir bei 60 bis 70 Milliarden, was natürlich auf Kosten anderer Bereiche gehen muss. Um das zu legitimieren, braucht es ein Feindbild. Deshalb haben wir in den Medien auch ständig diese Feindbildproduktion: Der Russe, der das Baltikum erobern will und bald in Europa steht. Es wird vom veränderten Sicherheitsumfeld in Europa gesprochen. An dieser Veränderung hat der Westen einen grossen Anteil, das sieht man in Syrien oder auch in Libyen. Hier war auch die Nato am Werk. Das endet in einem Kreislauf, der vor allem der Rüstungsindustrie nützt und denjenigen, die keine Kooperation mit Russland wollen.

Wie sehen Sie hierbei die Rolle der USA?

Sie ist die dominierende Macht, die jetzt Druck auf die Länder ausübt, z. B. auf Deutschland oder auch auf Slowenien. Deutschland liegt bei den Rüstungsausgaben etwa bei 1,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Slowenien ist noch darunter. Wenn sich die Aussenminister beim Nato-Gipfel in Wales zusammensetzen und das 2-Prozent-Ziel festlegen, ist das eine Verabredung ohne jeglichen rechtlichen Charakter. Das ist ein willkürlicher Akt. Das Haushaltsrecht liegt in einem demokratischen Staat beim Parlament. Das Parlament hat das nie ratifiziert. Es gibt keine internationale Verpflichtung, diese Vorgaben einzuhalten. Sie haben keine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Es ist eine einfache Verabredung bei einem Gipfel der Nato. Wir haben die Verpflichtung, die Menschenrechte einzuhalten, aber nicht das 2-Prozent-Ziel der Nato.

Ich möchte gerne nochmals auf das 50jährige Bestehen der Nato zurückkommen. Das war 1999, und hier hat die Nato zum ersten Mal in der Geschichte einen Krieg geführt – einen Angriffskrieg gegen Serbien. Wie muss man dieses Vorgehen einordnen?

Das war der Wechsel vom Verteidigungsbündnis zum Interventionsbündnis. Dieser Vorgang war natürlich verheerend. Die Nato ist kein kollektives Sicherheitsbündnis, wie oft behauptet wird, sie ist ein Militärbündnis, ein solches brauchen wir nicht.

Auch spricht die Nato gerne davon, dass sie ein «Friedensbündnis» sei.

Das ist auch Unsinn. Die Nato hat sehr viele Kriege geführt. Im Jahre 1999 – wir hatten jetzt gerade den 20. Jahrestag – war das ein völkerrechtswidriger Nato-Angriffskrieg. Es ist aber schon interessant, die Menschen haben auch etwas Angst, einfach aus der Nato auszutreten. Denn das Bedürfnis, in transnationalen Sicherheitsstrukturen eingebunden zu sein, ist in Deutschland sehr gross, und das sollte man ernst nehmen.

Wie könnten denn sinnvolle Sicherheitsstrukturen aussehen?

Unsere Partei macht sich für ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbezug Russlands stark. Das Ganze muss auf Abrüstung zielen. Wenn man sich überlegt, wie man dorthin kommen könnte, dann ist unsere Auffassung, dass es im Rahmen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) geschehen sollte. Das wäre eine sinnvolle Alternativstruktur. Interessant ist: Die USA blockieren, dass die OSZE einen rechtlichen Status bekommt, mit dem sie sich in diese Richtung entwickeln könnte. Die OSZE bildet aber den idealen Rahmen, ein solches Sicherheitssystem zu schaffen. Hier wäre dann auch der Unterschied zur Nato, die ganz klar ein Militärbündnis ist.

Dass Russland sich daran beteiligen würde, sehen Sie als realistisch an?

Ja, Putin hat bereits Anfang des neuen Jahrtausends den Versuch gemacht, zu einer globalen Sicherheitsstrategie zu kommen. Er hatte das zunächst über die OSZE versucht. Es war wohl auch seine Überlegung, wenn alle in derselben Struktur sind, gibt es keinen Feind mehr. Das Ziel war es, gemeinsam mit den anderen Ländern dahingehend etwas auf die Beine zu stellen. Das wurde aber immer abgelehnt. Auch die Vorstösse vom damaligen russischen Präsidenten Medwedjew um das Jahr 2010, eine neue Sicherheitsarchitektur zu schaffen, sind immer ins Leere gelaufen.

Wie hat Russland darauf reagiert?

Es hat entschieden, seinen eigenen Weg zu gehen, und hat begonnen aufzurüsten. Das ist aus der Sicht des russischen Sicherheitsbedürfnisses nachvollziehbar, ist aber nicht das, was wir uns gewünscht haben. Die russische Strategie sieht man in Syrien oder auch aktuell in Venezuela. Das ist im Grunde genommen die Reaktion auf das Scheitern eines kollektiven Sicherheitssystems.

Wie beurteilen Sie die Annäherung zum Beispiel von neutralen Staaten an Nato-Unterorganisationen?

Die Nato hat die «Partnership for Peace» (PfP) ins Leben gerufen. Hier sind neutrale Staaten dabei wie die Schweiz oder auch Irland. Zypern ist als einziges EU-Mitgliedsland nicht dabei. Dann hat man einen neuen Status für Länder wie Kolumbien kreiert. Hier entstehen weitere Parallelstrukturen der Nato. Das sind keine kollektiven Sicherheitsstrukturen. Dazu müsste man den Gegner einbinden. Sie müssten China und Russland einbinden, um Systeme zu schaffen, mit denen man am Ende abrüsten könnte. Aber die Politik der Nato zielt nicht auf Entspannung und Abrüstung, sondern fördert im Gegenteil die Aufrüstungspolitik und provoziert damit Spannungen.

Herr Bundestagsabgeordneter Hunko, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser, Strassburg

 

Weltweite Militärausgaben 2018 auf 1,8 Billionen Dollar angestiegen 

(Stockholm, 29. April 2019) Die weltweiten Militärausgaben stiegen 2018 auf 1822 Milliarden Dollar, was einem Anstieg von 2,6 Prozent gegenüber 2017 entspricht, so die neuen Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). (…)

Die gesamten Militärausgaben aller 29 Mitglieder der North Atlantic Treaty Organization (Nato) beliefen sich 2018 auf 963 Milliarden Dollar, was 53 Prozent der weltweiten Ausgaben ausmachte.

Quelle: Pressemitteilung des SIPRI vom 29. April 2019

Weltweite Militärausgaben von 1988–2018

Weltweite Militärausgaben von 1988–2018

Quelle:Data and graphic: SIPRI, www.sipri.org/media/press-release/2019/world-military-expenditure-grows-18-trillion-2018

 

 

 

Verhaftung von friedlichen Anti-Nato-Demonstranten in Irland

«Was wir brauchen, ist mehr Raum für Friedensverhandlungen; was wir brauchen, sind entmilitarisierte Zonen. Leider eskaliert das, was die Nato als Geschäft betreibt. Und wenn Sie sich die heutige Situation in der Welt ansehen, in der Russland – ich bin kein Verteidiger Russlands –, aber Russland ist derzeit von Nato-Waffensystemen umgeben. Wie soll das zu einer besseren Welt beitragen, wie soll das zu einem besseren Verlauf des Friedens beitragen? Genau das Gegenteil ist der Fall. […]

(Bild zvg)

Und noch einmal verweise ich auf die Kriege im Nahen Osten. Der Grund, warum meine Reaktion auf diese Kriege so heftig ist, liegt darin, dass mein Land, Irland, das angeblich neutral ist, diese Kriege über unseren Zivilflughafen in Shannon unterstützt. Wir wissen also aus erster Hand, wie die Nato tatsächlich funktioniert: Vor zwei Wochen wurden zwei US-Friedensveteranen auf dem Flughafen Shannon verhaftet. Einer war 82 Jahre, der andere 77 Jahre alt. Sie wurden verhaftet, weil sie ein Banner hochgehalten hatten. Sie wurden inhaftiert, für zwei Wochen ins Gefängnis gesteckt und dürfen seitdem nicht mehr nach Hause zurückkehren. Wir sehen also aus erster Hand, wie aggressiv und bösartig die Nato und ihre Anhänger sind, auch wenn jemand den Mut hat, aufzustehen und friedlich zu protestieren.»

Auszug aus dem Interview mit Senator Paul Gavan, irischem Delegierten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Zeitgeschehen im Fokus, Nr. 5, 2019

EU-Waffenrichtlinie: «Die EU kann direkt in die innere Sicherheit der Schweiz hineinreden»

Interview mit Nationalrat Werner Salzmann

Nationalrat Werner Salzmann (Bild zvg)
Nationalrat Werner Salzmann (Bild zvg)

Zeitgeschehen im Fokus Herr Nationalrat Salzmann, Sie sind gegen die neue EU-Waffenrichtlinie. Was stört Sie daran?

Nationalrat Werner Salzmann Der Auslöser für diese neuen Richtlinien waren die vier islamistischen Terroranschläge in Frankreich, die allesamt mit illegalen Waffen, mit Serienfeuerwaffen, verübt wurden, die aus dem ehemaligen Jugoslawien ins Land geschmuggelt worden waren. Jetzt hat die EU keine andere Möglichkeit, etwas gegen die traurigen Terroranschläge zu machen, als die legalen Waffenbesitzer zu drangsalieren. Das ist die Hauptkritik: Sie ergreifen eine Mass­nahme, die keine Wirkung gegen Terroranschläge hat und schikanieren damit die unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten. 

Was für Massnahmen könnte man ergreifen?

Man müsste alles daransetzen, diesen illegalen Waffenhandel zu unterbinden. Dazu braucht es mehr polizeiliches Personal vor Ort, dazu braucht es geeignete Massnahmen. Diese hat die EU aber nicht ergriffen. Jetzt stehen wir in der Schweiz vor der traurigen Tatsache, dass die Waffenbesitzer und Schützen in ihrer Tradition schikaniert werden und sogar die Entwaffnung in der Schweiz eingeleitet wird.

Was ändert sich mit der neuen EU-Waffenrichtlinie?

Es ist ein generelles Verbot für Halbautomaten. Ein Verbot ist ein Verbot, und man bekommt diese Waffe nur ausnahmsweise, wenn man Schütze ist und den Bedürfnisnachweis erbringt. Dazu muss man Mitglied in einem Schützenverein sein. Viele unbescholtene Bürger werden kriminalisiert, wenn sie diese Bedingungen nicht erfüllen. Dazu gehören zum Beispiel Gelegenheitsschützen, die dann dem Schiesswesen verlorengehen. Man stelle sich vor, wenn Eltern ihre Jugendlichen zum Schiessen bewegen würden, was dann geschieht, wenn sie eine Ausnahmebewilligung für eine verbotene Waffe einholen müssen. Das ist praktisch unmöglich, und wir würden dadurch einen grossen Einschnitt bei der Jugendförderung erhalten. 

Verstösst die Forderung, dass man Mitglied in einem Verein sein muss, nicht gegen die Bundesverfassung?

Das ist ein Verstoss gegen die Bundesverfassung. Als früher die Schützen obligatorisch Mitglied in einem Verein sein mussten, wurde das als Verfassungsverstoss beanstandet und aufgehoben. Jetzt führt man das wieder ein, weil man das Gesetz unbedingt durchbringen will. Unserem Verband ist mit Schützen, die obligatorisch Mitglied im Verein sein müssen, nicht gedient. Wir brauchen Schützen, die auch aktiv und gerne am Vereinsleben teilnehmen. 

Wäre mit der Änderung der Waffenrichtlinie das Kapitel abgeschlossen?

Nein, mit Artikel 17 öffnen wir der EU Tür und Tor für weitere Verschärfungen, indem sie alle 5 Jahre Kontrollen und Evaluationen durchführen und dann weitere Massnahmen ergreifen kann. Neue Änderungen sind bereits in der Pipeline. Dazu gehören psychologisch-medizinische Tests, Kategorienverschärfung usw.

Sie sehen das also als eine Entwicklung, die in Zukunft noch zu weiteren Einschränkungen im Waffenrecht führen wird?

Das ist korrekt. Diese Richtlinie ist ein Dammbruch für das Schweizer Waffenrecht, weil die EU direkt in die innere Sicherheit hineinreden kann. Das darf nicht sein. Das wird übrigens auch von den Tschechen kritisiert. Sie haben deswegen einen Rekurs angestrengt. Die EU hat nichts zu sagen, was die innere Sicherheit der Länder betrifft, und sie überschreitet hier ihre Kompetenz. Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass die Schweizer Regierung und die Mehrheit des Parlaments das nicht merken und argumentieren, wir müssten das Gesetz wegen des Schengener Abkommens übernehmen. Das sind natürlich Entwicklungen, die mir sehr zu denken geben. 

Die Befürworter dieser neuen Waffenrichtlinie drohen immer damit, dass man die Schweiz aus den Schengener Abkommen ausschliessen würde. Was hätte ein solcher Schritt zur Folge?

Das wird nicht eintreten. Selbst wenn wir wider Erwarten aus dem Schengener Abkommen ausgeschlossen würden, würde mindestens der wichtige Zugang zum Schengen Informationssystem (SIS) bestehen bleiben. Das zeigt das Beispiel von England, das kein Mitglied bei Schengen ist, aber am SIS angeschlossen ist. Ich bin sicher, dass sie weiterhin angeschlossen bleiben und auch die Schweiz den Zugang zum SIS nicht verlieren würde. 

Was die Grenzkontrollen und die Visa anbelangt, könnten wir problemlos wie all die Jahre vor Schengen die Einreise für ausländische Gäste erlauben, damit der Hotellerie und dem Tourismus keine Verluste entstehen. Es bleiben alle Möglichkeiten offen, nicht nur für Schengen-Bürger, sondern auch für Touristen aus der ganzen Welt. 

Ein Ausschluss aus dem Dubliner Abkommen würde vor allem bedeuten, dass wir nicht mehr verpflichtet wären, Asylsuchende aus Italien und anderen EU-Staaten aufzunehmen. Wir wären wieder selbständig und könnten unsere Grenze selbst schützen. Wir könnten dann selbst entscheiden, wie das Asylverfahren abgewickelt werden soll. Tatsache ist, dass das Dubliner Abkommen die Erwartungen bisher nicht erfüllt hat. Deshalb gibt es sehr viele Flüchtlinge, die halb Europa durchquert haben, und am Schluss bei uns in der Schweiz gelandet sind, weil die anderen Länder die Abmachungen nicht eingehalten haben. 

Sie haben vorher erwähnt, dass Sie überzeugt sind, dass man die Schweiz nicht aus dem Schengener Abkommen hinauswerfen würde. Warum nicht?

Der Bundesrat hat bei der Abstimmung zum Beitritt zum Schengener Abkommen in seiner Botschaft geschrieben, sollte ein Land eine Richtlinie nicht übernehmen, wären die Schengen-Staaten verpflichtet, eine pragmatische Lösung zu suchen mit dem Ziel, dass der Staat im Schengen-Raum bleibt. Das ist der Normalfall. Deshalb gibt es einen gemischten Ausschuss, der 90 Tage Zeit hat, eine Lösung zu suchen. 

Wenn die 90 Tage nicht reichen?

Dann wäre sogar eine Verlängerung möglich. Dass die EU bereit ist, Verlängerung zu geben, das haben wir beim Brexit gesehen. 

Gibt es überhaupt einen Grund, die Schweiz aus dem Schengener Abkommen hinauszuwerfen?

Es gibt keinen Grund. Auch die Befürworter der neuen EU-Waffenrichtlinie können keinen Grund angeben, warum die Schweiz wegen einer Einzelbestimmung ausgeschlossen werden sollte. Es sind alle Staaten aufeinander angewiesen. Wir sind auf die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern angewiesen, und diese sind auf die Zusammenarbeit mit der Schweiz angewiesen. Stellen wir uns einmal vor, die Schweiz würde ausgeschlossen, und unser Land bildete einen weissen Fleck in der EU ohne polizeiliche Zusammenarbeit. So könnten sich Straftäter unerkannt aufhalten, Terroristen verstecken und neue Anschläge planen. Das wäre doch ein absoluter Witz. Man will die Terrorabwehr verbessern mit einem nutzlosen Waffengesetz und würde mit einem Ausschluss der Schweiz aus dem Schengen-Raum die Terrorgefahr noch erhöhen. Das wäre absolut unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar. 

Hätte ein Ausschluss der Schweiz weitere Folgen für die EU?

Wir haben 300 000 Grenzgänger aus Frankreich und Deutschland. Haben die Deutschen und die Franzosen ein Interesse, dass diese wieder an der Grenze kontrolliert werden müssen? Das wollen sie ganz sicher nicht. Dazu kommt noch, dass die Schweiz über 100 Millionen Franken an das Schengen-System bezahlt. Wir haben 2,5 Prozent Bevölkerung und zahlen aber fast 8 Prozent an die Kosten. Das sind zehnmal mehr als damals im Schengener Abkommen versprochen, und dieses Geld ist den Schengen-Staaten willkommen.

Welches Ziel verfolgt damit die EU, wenn es für die Sicherheit gar nichts bringt? 

Die Einschränkungen des privaten Waffengesetzes sind das Ziel vieler europäischer Staaten, insbesondere der tonangebenden Franzosen und Deutschen, die den privaten Waffenbesitz gänzlich abschaffen wollen. Das ist den Staaten ein Dorn im Auge, dass es Länder gibt, die eine andere Tradition haben wie z. B. die Tschechen und die Schweizer. Das wollen sie unbedingt synchronisieren. Das ist aber nicht ihre Aufgabe. Für mich ist unverständlich, dass man Massnahmen beschliesst, die keine Wirkung haben. Es kann nur um die Einschränkung des privaten Waffenbesitzes gehen. Und weitere Verschärfungen, wie bereits erwähnt, sind schon in der Pipeline. 

Sind noch andere Personengruppen davon betroffen?

Selbstverständlich. Die Jäger sind betroffen. Man diskutiert die Kalibergrösse. Man spricht über die Anzahl benötigter Waffen. Man soll nur noch eine haben dürfen. Man diskutiert die Zielvorrichtungen auf dem Jagdgewehr. Das sind alles Einschränkungen, die auch auf Verordnungsbasis eingeführt werden können, und somit nicht in den Gesetzgebungsprozess des Parlaments kommen. Ein Referendum wäre dann auch nicht mehr möglich. Es ist eine massive Einschränkung unserer Selbstbestimmung, das dürfen wir nicht zulassen.

Herr Nationalrat Salzmann, vielen Dank für das Gespräch. 

Interview Thomas Kaiser, Bern 

Liechtenstein: Nachbarstaat mit direkter Demokratie und Monarchie

von Michael Winkler*

Zeitgeschehen im Fokus thematisierte kürzlich die moderne Demokratie in der Schweiz. An dieser Stelle sei zum 300-jährigen Jubiläum des Fürstentums auch die einzigartige direkte Demokratie des Kleinstaats gewürdigt. Hier funktioniert der Dualismus zwischen Demokratie und Monarchie in besonderer Weise.

Bis zum Ersten Weltkrieg war Liechtenstein relativ absolut vom Fürstenhaus – das damals noch in Wien residierte – und dessen Statthaltern regiert. In zwei Jahren feiert das Land das 100-Jahr-Jubiläum der Verfassung, die am 5. Oktober 1921 unterschrieben wurde und dem Volk weitgehende Rechte einräumte: Die Stimm- und Wahlberechtigten – das sind die volljährigen liechtensteinischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Liechtenstein – wählen den heute 25-köpfigen (vorher 15-köpfigen) Landtag, der die vom Fürsten zu ernennende Regierung vorschlägt. Wahlberechtigte verfügen überdies über eine Reihe direktdemokratischer Rechte sowohl auf kommunaler als auch auf nationaler Ebene.

Vom Schweizer Vorbild inspiriert und optimiert

«Baumeister» dieser revolutionären Verfassung war Dr. Wilhelm Beck von der Christlich-Sozialen Volkspartei, der Vorgängerin der heutigen Vaterländischen Union. Die Volkspartei war gleichzeitig jene Kraft, die sich für den Zollvertrag mit der Schweiz stark machte, der – in Kombination mit dem Personen- und Gesellschaftsrecht, das ebenfalls von Beck geprägt wurde – den Grundstein für Liechtensteins heutigen Wohlstand legte. Der Jurist studierte in der Schweiz und brachte sozusagen – gemeinsam mit Liechtensteiner Gastarbeitern aus allen Schichten – den demokratischen Geist der Schweiz über den Rhein nach Liechtenstein. Damals blies Beck aus dem konservativen Lager ein heftiger Gegenwind entgegen. Was heute als politische Weitsicht und demokratische Notwendigkeit allgemein akzeptiert und als Selbstverständlichkeit gefeiert wird, wurde damals als unflätige Rebellion gegen herrschende Zustände und als «rote Gesinnung» taxiert. Gerade die Exponenten der Bürgerpartei wehrten sich hartnäckig gegen Demokratisierungsbestrebungen.

Seit den Zeiten Becks ist Liechtenstein von einem Dualismus geprägt, der weltweit einzigartig ist. Während Monarchen in ganz Europa praktisch überall auf ihre repräsentativen Funktionen reduziert wurden, ist der Fürst – ohne dessen Unterschrift kein Gesetz in Kraft tritt – in Liechtenstein der eine Souverän. Das Volk ist der andere – mit weitgehenden demokratischen Rechten.

Der Sitzungssaal des liechtensteinischen Landtags in Vaduz (Bild thk)

 

Eine grosse Fülle von Rechten

Die direktdemokratischen Möglichkeiten gehen über die entsprechenden Regelungen in der Schweiz hinaus. Dem Volk steht das Recht der Initiative in der Gesetzgebung zu (Gesetzes- wie auch Verfassungsebene), das Recht, ein Referendum gegen Landtagsbeschlüsse zu ergreifen, wobei dies Gesetzes- oder Verfassungsbeschlüsse ebenso beinhaltet wie Staatsverträge und Finanzbeschlüsse (ab 500 000 Franken einmalig und 250 000 Franken wiederkehrend). Schliesslich steht dem Volk auch das Recht zu, gegenüber dem Fürsten ein Misstrauensverfahren zu starten, die Monarchie gänzlich abzuschaffen, den Landtag einzuberufen und ihn aufzulösen, sowie im Streitfall zwischen den normalerweise zuständigen Organen den entscheidenden Beschluss bei der Richterbestellung zu fassen. Das Petitionsrecht sei nur am Rande erwähnt, da es recht unverbindlich ist und von Landtag und Regierung praktisch auch so behandelt wird. Gemeinden können sogar per Volksabstimmung aus dem Staatsverband austreten. Als besondere Anekdote des Systems bleibt die Tatsache, dass Frauen erst seit 1984 das Wahlrecht geniessen. Oftmals dient dieses Beispiel zur internationalen Ehrenrettung der Schweiz in dieser Frage.

Initiativen: 1000 bzw. 1500 Unterschriften reichen

Kern der direktdemokratischen Mittel sind wie in der Schweiz die Initiativen und die Referenden. Eine Volksinitiative muss in Liechtenstein von 1000 beziehungsweise 1500 legitimierten Personen unterzeichnet werden. Eine Initiative kann eine Gesetzes- (1000 Unterschriften) oder Verfassungsänderung (1500 Unterschriften) beabsichtigen. Sie kann als formulierte oder als einfache Initiative eingereicht werden. Formulierte Initiativen enthalten einen konkreten, verbindlichen und unabänderbaren Vorschlag, während einfache Initiativen nur eine Anregung enthalten, die vom Landtag aufgegriffen werden kann oder auch nicht. Die Regierung prüft vor der Sammlung der Unterschriften eine Initiative auf ihre Konformität mit den bestehenden Gesetzen. Formale Kriterien sind beispielsweise die Berechtigung der Initianten, die Vermeidung von Widersprüchen, oder das Verbot, Verfassungs- und Gesetzesformulierungen in einer Initiative zu vermengen (Einheit der Form). Materielle Kriterien sind insbesondere die Verträglichkeit mit der Verfassung und mit Staatsverträgen. Damit können – im Unterschied zur Schweiz – Initiativen, die etwa den Menschenrechten gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention widersprechen, von vornherein verhindert werden. Passen alle Kriterien, kommt die Initiative vor den Landtag.

Die Volksvertretung fasst einen Beschluss über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit. Gegen den Beschluss des Landtages kann beim Staatsgerichtshof Beschwerde erhoben werden. Falls der Landtag einer Initiative grünes Licht erteilt, wird die angemeldete Initiative amtlich kundgemacht, und die Unterschriftensammlung kann beginnen. Die Sammelfrist beträgt sechs Wochen. Nach Einreichung der beglaubigten Unterschriften in der erforderlichen Zahl bei der Regierung wird der Landtag erneut damit befasst. Er kann die Initiative ablehnen, was meistens der Fall ist und damit automatisch zu einer Volksabstimmung führt. Falls der Landtag dies wünscht, kann er einen Gegenvorschlag zur Initiative formulieren, welcher gleichzeitig mit der Initiative zur Abstimmung gelangt. Der Landtag kann der Initiative aber auch zustimmen, sodass eine Volksabstimmung nicht mehr zwingend aber fakultativ möglich ist. Die Entscheidung des Volkes ist für den Landtag bindend. Die Sanktion durch den Fürsten ist aber in jedem Fall notwendig.

Auch das Gemeindegesetz sieht ein Initiativrecht vor. Hierzu muss ein Sechstel der Stimmberechtigten die Behandlung von Angelegenheiten fordern, die dem Referendum unterstehen.

Referendum: Oft benutztes Kontrollinstrument des Volkes

Referendumsfähige Beschlüsse des Landtages werden amtlich kundgemacht. Innerhalb einer Frist von 30 Tagen kann mit 1000 Unterschriften von Stimmberechtigten eine Volksabstimmung über ein im Landtag verabschiedetes Gesetz oder einen Finanzbeschluss erwirkt werden. Handelt es sich beim Landtagsbeschluss um eine Verfassungsmaterie oder um einen Staatsvertrag, sind 1500 Unterschriften notwendig.

Durch Dringlicherklärung kann der Landtag eine Vorlage dem Referendum entziehen. Dies ist allerdings unüblich, ausser es handelt sich um sachlich begründete Fälle. Prominentes Beispiel ist das jährlich zu verabschiedende Budget, welches routinemässig für dringlich erklärt wird.

Auf Gemeindeebene definiert das Gemeindegesetz 12 Kriterien für referendumsfähige Geschäfte. Stimmberechtigte Einwohner einer Gemeinde können spätestens 14 Tage nach Kundmachung des Beschlusses beim Gemeindevorsteher das Referendum anmelden. Unterschreibt ein Sechstel der stimmberechtigten Einwohner, muss binnen vier Monaten eine Gemeindeversammlung bzw. Gemeindeabstimmung erfolgen. Die Prüfung der Erfordernisse obliegt hier dem Gemeinderat, der innert eines Monats ein Begehren zurückweisen muss, sofern es gesetzeswidrig ist, sich auf einen Gegenstand bezieht, welcher in der Zuständigkeit einer anderen Gemeindebehörde oder einer Landesbehörde fällt.

Direkte Demokratie stärken

Über die direkte Demokratie in Liechtenstein hat der Liechtensteiner Politologe Wilfried Marxer im vorigen Jahr ein lesenswertes Buch geschrieben¹, aus dessen Feststellungen einige Fakten in diesem Artikel entnommen sind. Die Publikation listet die bisher mehr als einhundert nationalen Volksabstimmungen seit dem Jahr 1919 auf und illustriert durch die Präsentation von besonderen Fällen erfolgreicher und gescheiterter direkt-demokratischer Versuche die komplette Bandbreite der direkten Demokratie in Liechtenstein. Demokratie-Interessierten sei dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt.

Es bleibt daher die Feststellung, dass Liechtenstein eines von wenigen Ländern in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schweiz ist, das die direkte Demokratie lebt – auch wenn hier der Monarch noch viele Vetorechte besitzt. Die Rolle des «demokratischsten Landes der Welt» macht Liechtenstein der Schweiz aufgrund dieser Tatsache nicht streitig, auch wenn die demokratischen Rechte der Liechtensteiner teilweise über jene der Schweizer hinausgehen. Die Vetorechte des Monarchen werden in weiten Teilen der Bevölkerung auch mehr als Stabilitätsgaranten gesehen denn als Gestaltungsmöglichkeiten des Fürstenhauses.

Der Sonderfall Liechtenstein zeigt, dass die Schweiz andere Staaten zu liberaler direkter Demokratie inspirieren kann, die zu ungeahntem Wohlstand führt. Gerade wenn die direkte Demokratie unter Beschuss gerät, kann man diese Tatsache nicht genug betonen.

* Michael Winkler ist Politologe und Historiker aus Liechtenstein

¹ Wilfried Marxer: Direkte Demokratie in Liechtenstein. Entwicklungen, Regelungen, Praxis. Liechtenstein 2018

Die Vernunft nicht vernebeln lassen

Plädoyer für eine grössere Themenvielfalt in Medien und Politik

von Reinhard Koradi

Ich werde hier keine Klimadebatte führen. Noch weniger spreche ich den Jugendlichen ihr Recht ab, sich für einen sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt zu engagieren. Jedoch plädiere ich für mehr Vernunft und vor allem für eine den aktuellen und zukünftigen politischen Herausforderungen gerecht werdende Themenvielfalt in Medien und Politik.

Mit der eingeschränkten Fokussierung auf den Klimawandel laufen wir Gefahr, andere, möglicherweise noch bedrohlichere Entwicklungen auf unserem Planeten und letztlich in der Schweiz selbst aus den Augen zu verlieren. Es ist für eine lebendige Demokratie auch wenig förderlich, wenn die politische Landschaft von einem ­einzigen Thema derart überrollt wird, dass es zu einer einengenden Polarisierung führt. Neben unbedachten Schnellschüssen bedrohen derartige Kräfteverschiebungen die Meinungsvielfalt, differenziertes Denken und damit auch den inneren Zusammenhalt. Eine exzentrische Themendiktatur verändert die politische Landschaft und birgt damit die Gefahr in sich, unterschiedliche Ansichten und Positionen abzuwürgen und Menschen oder Organisationen auszugrenzen, die sich dem Meinungsdiktat nicht unterwerfen.

Könnte es sein, dass der Klimaschock nicht dem Klima dient?

Warum plötzlich diese Hysterie rund um den Klimawandel? Kaum jemand spricht heute noch von den unzähligen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Krisenherden. Die insgesamt über Generationen hinweg erarbeiteten gesellschaftlichen und sozialen Errungenschaften, unsere Sicherheit und vor allem das Leben von Millionen Menschen in den betroffenen Gebieten ernsthaft bedrohen. Hunger und Armut plagen die Menschen immer noch. Kaum jemand schreit gegen die fortschreitende Ökonomisierung unseres Lebens auf. Wo bleiben die Stimmen, die gegen die Wirtschaftsdiktatur und die damit verbundene Implementierung einer neoliberalen Gesellschaftsform protestieren? Noch nie wurde so viel in das Kriegsgeschäft investiert, wie dies heute geschieht. Investitionen, die bestimmt wenig Gutes erwarten lassen. Auch stehen viele Fragen rund um unsere Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung im Raum. Friedens-, Gesellschafts-, Wirtschafts-, Sozialpolitik sowie die staatspolitischen Herausforderungen der Schweiz in Bezug auf die Beziehungen zum Ausland dürfen nicht im Klimadunst untergehen. Soll die Klimadebatte von diesen Themen ablenken und den Weg für weitere transnationale, zentralistische Dekrete ebnen?

Was wir heute brauchen, ist die Vielfalt des Denkens, die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen und die anstehenden Probleme losgelöst von Macht- und Herrschaftsansprüchen sachbezogen anzugehen und zu lösen.

Eine weitere Annäherung an die EU führt zu Verlust an direkter Demokratie

von Thomas Kaiser

In verschiedenen Artikeln unserer Mainstreammedien wird versucht, die Schweiz möglichst als einen 08/15 Staat erscheinen zu lassen, der weder politisch noch von der staatlichen Konstruktion her gegenüber anderen Staaten Besonderheiten besitzt und daher auch keine staatlichen Eigenheiten zu verlieren habe, wenn er sich der EU-Rechtsprechung anpasse. Dabei werden historische und politische Grundlagen der Schweiz grosszügig ausgeblendet oder gar völlig verdreht wiedergegeben. 

Wer sich aber mit den Grundlagen des Schweizer Staatswesens auseinandersetzt, dem wird bewusst, wie gross die Unterschiede zu anderen Staaten in Europa sind, auch wenn diese sich Demokratien nennen. Wer sich mit der Geschichte der Schweiz beschäftigt hat, mit der eindrücklichen Entwicklung vom Staatenbund zum Bundesstaat und der Entstehung der Volksrechte auch auf Bundesebene, der kann mit Recht davon sprechen, dass die Schweiz, solange sie so existiert, wie wir sie heute kennen, mit Initiativ- und Referendumsrecht auf allen Ebenen, gemeint sind Bund, Kantone und Gemeinden, einen politischen und gesellschaftlichen Sonderfall darstellt. 

In keinem der umliegenden Staaten besitzen die Bürgerinnen und Bürger nur annähernd so grosse politische Freiheiten wie in unserem Land. Eine «kleine» Ausnahme bildet hier das Fürstentum Liechtenstein, wo Bürgerinnen und Bürger sehr weitgehende direktdemokratische Rechte besitzen (vgl. Artikel von Michael Winkler auf S. 9). 

Die Schweiz und ihre Grundlagen

Vier Säulen machen laut dem Historiker und ehemaligem Diplomaten Paul Widmer den «Sonderfall Schweiz» aus. In seinem bedeutsamen Buch «Die Schweiz als Sonderfall» erklärt er die Grundlagen des Schweizer Staatswesens: Die direkte Demokratie, ausgestattet mit Initiativ- und Referendumsrecht; den Föderalismus, der den Kantonen weitgehende politische Entscheidungsfreiheit ermöglicht; die Gemeindeautonomie, die den einzelnen Gemeinden in vielen Bereichen nach dem Prinzip der Subsidiarität politische Autonomie zugesteht; die bewaffnete Neutralität, die der Schweiz zum einen über 170 Jahre Frieden beschert hat und zum anderen unserem Land die Möglichkeit gibt, sich im Ernstfall verteidigen zu können; die Mehrsprachigkeit des Landes, die einen wichtigen Aspekt der Willensnation darstellt, der deklarierte Wunsch, trotz unterschiedlicher Konfessionen, Sprachen und Kulturen in einem Staat zusammenleben zu wollen, mit dem Ziel, die gewonnene Freiheit gemeinsam zu verteidigen.

Zum Gemeinwohl beitragen

Eine weitere Besonderheit der Schweiz bildet das ausgeprägte Milizwesen. So besitzt die Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern eine Milizarmee. Auch die politischen Vertreter des Schweizer Volks sind Milizparlamentarier. Neben ihrem politischen Mandat üben sie noch einen Beruf aus. Sie bleiben so im aktiven Berufsleben verankert, und ihre Existenz hängt nicht von ihrem politischen Mandat ab. Weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind auch im Milizwesen organisiert, sei es die Feuerwehr, die Samariter oder andere gemeinnützige Organisationen. Das über die Jahrhunderte entwickelte Milizwesen ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Gemeinwesens. Zum einen ist es Ausdruck des mündigen Bürgers, der verantwortlich das Leben im Staat aktiv mitgestaltet, zum andern ist es die Solidarität unter den Menschen, mit freiwilliger Arbeit zum Gemeinwohl beizutragen.

Eine fein austarierte staatliche Organisation

Betrachtet man diese wichtigen Bausteine, die unser Staatswesen ausmachen, dann muss man feststellen, dass die Schweiz eine fein austarierte staatliche Organisation besitzt, die mit einer von oben nach unten Struktur, wie sie in anderen Staaten existiert, nicht kompatibel ist. 

Wenn sich aber unser Staat dem zentralistischen Gebilde der EU weiter annähert, werden wir ­Bürgerinnen und Bürger Abstriche an der politischen Einflussnahme machen müssen. Besonders die ­direktdemokratischen Möglichkeiten werden immer weiter eingeschränkt werden, bis wir in entscheidenden Dingen nicht mehr mitreden können, weil Brüssel für uns entscheidet bzw. diktiert, was unser Land zu tun hat und unser Bundesrat alle Vorgaben aus Brüssel unwidersprochen übernimmt. Das kann nicht die Zukunft der Schweiz sein. 

ISBN: 978-3-03823-495-1

 

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